Zika-Virus - kann man Olympia in Rio verschieben?
Berlin (dpa) - Als Reaktion auf die Zika-Epidemie haben mehr als 150 Gesundheitsexperten in einem offenen Brief die Verschiebung der Olympischen Spiele in Rio, einen anderen Austragungsort oder sogar die Absage gefordert.
In einem Schreiben an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf warnen die Experten vor globalen Gesundheitsrisiken. Eine halbe Million Besucher der Spiele könnten in Rio de Janeiro angesteckt werden und die Krankheit mit in ihre Heimatländer bringen, hieß es darin. Die WHO wies diese Bedenken zurück: Es bestehe keine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit.
Vor sieben Jahren wurden Rio de Janeiro die Olympischen Spiele zugesprochen. Kann man das größte Sportereignis der Welt gut zwei Monate vor der Eröffnungsfeier einfach so verlegen oder verschieben?
Ein klares Nein! Das ist absolut unmöglich. „Weltfremd“, kommentierte ein deutscher Sportfunktionär. In wenigen Wochen kann keine Stadt einfach Olympische Spiele „übernehmen“. Eine zeitliche Verschiebung, etwa auf 2017, wäre theoretisch möglich. Aber dann müssten Zeitpläne in der ganzen Welt neu abgestimmt werden. Millionen Reisen und Hotelzimmer sind für diesen Sommer schon gebucht. Zudem geht es um Milliardensummen. Das Ok der Rio-Spiele hat tausende Vereinbarungen mit Logistik- und Zulieferfirmen sowie anderen Dienstleistern geschlossen. Konventionalstrafen drohen.
Verträge gibt es auch zwischen IOC und Rio-Ok. Müsste man eine Absage als Vertragsbruch der Olympia-Organisatoren bewerten?
Keinesfalls. Im Falle höherer Gewalt - wie zum Beispiel bei einer Naturkatastrophe oder eben einer Virus-Epidemie - gibt es ja keinen Schuldigen. Die Absage wäre erzwungen. Keiner der Vertragspartner hätte gegen eine Klausel verstoßen, das IOC könnte seinen Vertragspartner also auch nicht bestrafen. Kein Olympia-Ok kann garantieren, dass die Ausrichterstadt von extremen Ereignissen verschont bleibt.
Gab es schon einmal eine Verlegung?
Ja. 1956 fanden die Reit-Wettbewerbe nicht am Ort der Sommerspiele in Melbourne statt, sondern in Stockholm. 1953, drei Jahre vor den Spielen in Down Under, teilten die Australier mit, dass ausländische Pferde per Gesetz für sechs Monate in Quarantäne müssten. Damit war Reiten für Melbourne außen vor. Trotzdem sah das IOC davon ab, dem Land die Spiele ganz zu entziehen oder das Reiten zu streichen. 1954 wurden die Reiterspiele neu ausgeschrieben, Stockholm bekam den Zuschlag und hatte zwei Jahre Zeit zur Vorbereitung. Dabei ging es aber nur um sechs Medaillen-Wettbewerbe - in London standen 2012 insgesamt 302 Wettbewerbe in 26 Sportarten auf dem Programm.
Wie können sich die deutschen Olympia-Starter schützen?
Erste Zika-Information wurden im September 2015 veröffentlicht, teilte der Deutsche Olympische Sportbund mit Ende April gab es ein update für Mediziner und Physiotherapeuten. Das aktuelle Mittel zur Prävention von Erkrankungen sei der Insektenschutz. Die deutsche Olympia-Mannschaft wird mit dem Mückenschutzmittel „Anti-Brumm“ ausgerüstet. Ein zweites Präparat kann auch auf die Kleidung auftragen werden. Der Deutsche Leichtathletik-Verband hat ein Vorbereitungslager in Brasilia gestrichen; die Sportler reisen nun individuell aus der Heimat an, möglichst zeitnah vor dem Wettkampf.
Wieso ist das Zika-Virus so gefährlich?
Normalerweise ist der Erreger nicht bedrohlich. Die meisten Infizierten merken gar nichts oder haben allenfalls leichte grippeähnliche Symptome, auch Hautausschlag ist möglich. Anders sieht es bei Schwangeren aus: Stecken sie sich mit dem Virus an, können ihre Babys mit einem zu kleinen Schädel (Mikrozephalie) auf die Welt kommen. Die Kinder sind meist geistig behindert. Mikrozephalie kann aber auch andere Ursachen haben, zum Beispiel Röteln während der Schwangerschaft. Sorgen bereitet vielen Experten ein auffälliger Anstieg des Guillain-Barré-Syndroms in mehreren Ländern, der im Zusammenhang mit dem Zika-Virus stehen könnte. Die Lähmungskrankheit kann zum Tod führen. Einen Impfstoff gegen Zika gibt es noch nicht.
Wie kann man sich mit dem Zika-Virus anstecken?
Das Zika-Virus wird vor allem von der Gelbfiebermücke Aedes aegypti übertragen. Sie ist im südamerikanischen Winter - also auch während der Olympischen Spiele in Brasilien - nicht so aktiv wie im Sommer. In Deutschland sind bislang einige Dutzend eingeschleppte Zika-Fälle von Reiserückkehrern bekannt. Auch durch Geschlechtsverkehr kann sich der Erreger ausbreiten. Vor etwa zwei Wochen wurde die erste sexuelle Übertragung des Erregers in Deutschland nachgewiesen: Ein Mann hatte nach seiner Rückkehr aus Puerto Rico seine Partnerin angesteckt.