WM in Montreal Alt mit Chance auf den Titel - Neues Element als „Notlösung“
Montreal (dpa) - Tabea Alt kicherte ausgelassen, umarmte Rivalin Pauline Schäfer und konnte ihr Glück kaum in Worte fassen. Nach einem Klasse-Auftritt beim WM-Debüt in Montreal demonstrierte die 17-Jährige als Vorkampf-Beste ihre Qualitäten am Schwebebalken.
Gemeinsam mit der Chemnitzerin Schäfer (3.) sorgte sie nun für den ersten Doppelauftritt deutscher Turnerinnen seit 34 Jahren in einem WM-Finale am einstigen Zittergerät. Zuletzt war das 1983 den Berlinerinnen Maxi Gnauck und Sylvia Rau in Budapest für die DDR geglückt.
Kein Wunder, dass die abfotografierte Tafel mit dem Ergebnis in der WhatsApp-Gruppe der Trainer sofort die Runde machte. „Der Wahnsinn. Das hatten wir nie erträumt“, sagte Tabea Alt erstaunt. „Rang eins und drei - unvorstellbar“, meinte Cheftrainerin Ulla Koch.
Die große deutsche Turn-Hoffnung Alt darf nun von einer WM-Medaille, wenn nicht sogar vom Titel träumen. Doch übte sie sich im Understatement. „Die Ergebnisse waren so knapp, da kann sich noch viel ändern“, sagte sie nach ihrem Topwert von 13,533 Punkten. Gemeinsam wollen sich die beiden Deutschen im Finale pushen. „Es wäre doch blöd, wenn wir uns gegenseitig im Wege stehen“, sagte Alt.
Insgesamt erkämpften die deutschen Frauen fünf Finalplätze - ein Ergebnis, dass es für den Deutschen Turner-Bund noch nie gegeben hatte. Am Tag vor dem Mehrkampf-Finale wollen sich die erfolgreichen Damen nun bei einer Show des berühmten „Cirque du Soleil“ ablenken.
Im Finale der besten Allrounderinnen, das sie als Zwölfte ebenso wie Elisabeth Seitz (18.) erreichte, brennt Alt darauf, ihren Sturz am Stufenbarren vergessen zu machen. „Da lief es gar nicht wie geplant, ich war sehr enttäuscht. Bei allen Elementen vom unteren zum oberen Holmen war ich zu nah“, meinte die Ludwigsburgerin. Der Ärger war aber schnell verflogen.
„Jetzt zeige, dass du eine Spitzenturnerin bist“, hatte ihr Trainer Robert Mai sie dann vor dem Balken motiviert. Am meisten habe sie sich gefreut, dass sie das Missgeschick so gut wegsteckte. „Aber eigentlich bin ich bekannt dafür, dass ich so etwas gut abhaken kann“, sagte Alt. Großen Anteil habe daran Mental-Trainer Bruno Hambüchen, der Onkel von Reck-Olympiasieger Fabian. „Das mentale Training hat für mich einen ganz hohen Stellenwert. Ich habe mir da Techniken angeeignet, das zahlt sich jetzt aus“, berichtete er.
Nach dem Sturz vom Stufenbarren durfte sich die Gymnasiastin damit trösten, dass künftig zwei Elemente ihren Namen tragen. Dies hatte selbst Fabian Hambüchen in seiner langen Turn-Karriere nie geschafft, der Tabea Alt in Marketingfragen berät.
Während das Durchbücken durch die Arme zum unteren Holmen schon lange für den Code de Pointage des Weltverbandes beantragt war, hat sie der „Alt 2“ in Montreal selbst überrascht. „Ich habe erst vor zwei Tagen erfahren, dass mein neuer Abgang zuvor von keiner Athletin geturnt wurde. Es ist das Größte, dass mein Name jetzt zweimal im Regelwerk steht“, sagte sie. Dabei sei der Unterschwung-Salto mit halber Schraube aus der Stalder-Grätsche eher „eine Notlösung“ gewesen, weil sich durch ihr Wachstum die Hebelverhältnisse geändert hatten.
Lachen konnte auch Eli Seitz, die zum zweiten Mal nach 2010 im WM-Finale am Stufenbarren turnt. „Richtig cool“, meinte die 23-Jährige, nachdem sie als Fünfte in den Medaillenkampf eingezogen war (14,700 Punkte). „Im Finale will ich einige Kleinigkeiten besser machen“, kündigte sie an.