Bauermann: Spüre mit Polen „das Besondere“ der Aufgabe
Ljubljana/Celje (dpa) - Seine Arbeit als Basketball- Nationaltrainer Polens führte Dirk Bauermann auch in ein Konzentrationslager. „Da spürt man noch einmal das Besondere und die Verantwortung an der Aufgabe“, berichtet der frühere Bundestrainer in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa.
Bei der EM in Slowenien wäre der 55-Jährige dennoch gerne an deutscher Stelle.
Frage: Inwiefern unterscheidet sich das Gefühl, ein anderes Land als Deutschland in ein großes Turnier zu führen?
Dirk Bauermann: Für die Nationalmannschaft des eigenen Landes verantwortlich zu sein, ist immer etwas anderes. Aber wir sind alle Europäer. Es gibt eine bewegte Geschichte der beiden Länder, insofern ist es etwas ganz Besonderes für die polnische Nationalmannschaft, verantwortlich sein zu dürfen - auch wenn es nur ein Sport und nur Basketball ist.
Wie sind Sie als deutscher Trainer in Polen aufgenommen worden?
Dirk Bauermann: Sehr, sehr positiv und sehr unvoreingenommen. Wir haben vor anderthalb Wochen ein Turnier in Lublin gespielt, Belzec ist nur fünf Kilometer entfernt. Ich habe das Konzentrationslager besucht, das ist natürlich sehr bedrückend, da spürt man noch einmal das Besondere und die Verantwortung an der Aufgabe. Egal ob Spieler, Verantwortliche, Medien und Fans - es war ohne jedes Ressentiment, ohne jede Voreingenommenheit. Das bildet ab, wie die Dinge zusammengewachsen sind. Das ist eine sehr gute und angenehme Erfahrung.
Inwiefern haben Sie also auch eine gesellschaftliche Mission angetreten?
Dirk Bauermann: Ich will es nicht künstlich überhöhen. Aber als ich von dem Interesse der Polen gehört habe, kam mir diese Dimension direkt in den Sinn. Es gibt auch einen deutschen Bundestrainer im Handball, es ist also kein komplettes Novum. Es bildet ab, dass sich die Dinge so unglaublich normalisiert haben. Dass unsere Kinder in so einer Welt aufwachsen, und nicht in der von 70, 80 Jahren, ist ein großes Glück.
Was ist von Ihrem Team bei der EM zu erwarten?
Dirk Bauermann: Wir sind nach sechs Wochen gut vorbereitet für die Kürze der Zeit. Ich kannte die Spieler zwar von früheren Spielen oder habe sie auf Video gesehen. Aber die direkte Zusammenarbeit ist immer etwas anderes und es braucht Zeit, bis man ein gutes Verständnis für die Jungs hat. Alles in allem hatten wir in der Vorbereitung zumindest zufriedenstellende Leistungen und Ergebnisse. Die Mannschaft ist gut, sehr solide. Aber wir haben halt eine brutal harte Gruppe - mir wäre es lieber, wenn wir für die Deutschen in deren Gruppe wären. Drei andere (Spanien, Slowenien, Kroatien) Teams sind Favorit für die Zwischenrunde. Trotzdem haben wir gute Chancen einen der Favoriten aus dem Rennen zu werfen.
Ist für das deutsche Team die Zwischenrunde aus Ihrer Sicht also Pflicht?
Dirk Bauermann: Pflicht würde ich nicht sagen. Wir haben gegen vier der fünf deutschen Gegner in der Vorbereitung gespielt, im Grunde sind es vier Mannschaften, die schlagbar sind. Aber auch die Belgier darf man nicht unterschätzen, wenn sie gesund sind. Die Ukrainer haben einen überragenden Aufbauspieler und viele Schützen um ihn herum und mit Mike Fratello einen ganz erfahrenen Trainer. Auch sie sind nicht zu unterschätzen. Die Israelis sind ganz unangenehm zu spielen, sie spielen ohne einen richtigen Großen, sie sind ganz gefährlich.
Und die Franzosen zum Auftakt...
Dirk Bauermann: Die Franzosen sind noch eine ganz andere Geschichte, im ersten Spiel sind sie aber auch vielleicht schlagbar. Das ist eine gute Gruppe für unsere Mannschaft und ich drücke den Jungs und den Trainern die Daumen, dass sie es schaffen. Sie haben eine realistischere Chance als wir mit Polen in die nächste Runde zu kommen.
In Ihrer Autobiografie haben Sie sich selbst als ein mit Narben übersätes Schlachtross bezeichnet. Ist die Narbe FC Bayern nach der Trennung vor knapp einem Jahr schon geschlossen?
Dirk Bauermann: Die Narbe ist komplett verheilt, sie hat sicher auch schon mal geblutet, aber sie ist komplett verheilt, das ist Schnee von gestern. Es war eine gute Erfahrung, am Ende sicher auch eine schmerzhafte, keine Frage. Aber es gehört dazu in dem Job, und trotzdem möchte ich es nicht missen. Es hat zwei Jahre lang viel Spaß gemacht und dann drei Monate gar nicht. Es ist abgehakt und jetzt habe ich zwei tolle neue Aufgaben.