Er geht einen konsequenten Weg Wie Bayer-Star Azmoun für Frauen im Iran kämpft
LEVERKUSEN · Der Angreifer der Leverkusener hat sich mit seinem Fußball-Verband angelegt - und riskiert damit die Streichung aus dem WM-Kader.
Nicht nur die Fußball-Nationalmannschaften Europas testen dieser Tage in Länderspielen ihre Form hinsichtlich der am 20. November beginnenden Weltmeisterschaft. Auch die Vertreter anderer Kontinente bereiten sich auf das Turnier im umstrittenen Gastgeberland Katar vor. So besiegte der Iran am vergangenen Freitag Uruguay mit 1:0, morgen messen sich die Perser mit dem Senegal. Für beide Partien wurden als Spielorte allerdings Stadien in Österreich gewählt, mit St. Pölten und Maria Enzersdorf noch dazu nicht gerade fußballerische Hochburgen. Der iranische Verband will Proteste gegen das politische Regime seines Landes verhindern, muss aber dennoch im „Exil“ auflaufen. Kaum ein potenter Gegner ist bereit, in Teheran gegen das vom Portugiesen Carlos Queiroz trainierte Team anzutreten - im vergangenen Juni sagte Kanada gar eine in Vancouver geplante Begegnung wieder ab.
Grund ist natürlich insbesondere die Unterdrückung der Frauen im ultrakonservativen Ayatollah-Staat. Dieser hatte erst 2020 - unter Androhung von FIFA-Sanktionen - bei Länderspielen Frauen im Stadion erlaubt, gar erst seit einem Monat dürfen sie auch bei Liga-Partien anwesend sein. Wie lange aber ist die Frage - die Öffnung könnte nur dazu dienen, einen WM-Ausschluss zu verhindern. Dass dieser nicht schon längst vollzogen wurde, gehört zu den vielen Unverständlichkeiten im Hause FIFA - schließlich prangert sie Diskriminierung und Ausgrenzung an.
Inzwischen bekommen die Frauen große Unterstützung von etlichen prominenten Fußballern ihres Landes. Auch der für Bayer Leverkusen spielende Sardar Azmoun verurteilt die an Menschenrechtsverletzung grenzende Unfreiheit des weiblichen Geschlechts in seinem Heimatland. Der 27-Jährige ist nun sogar bereit, für seine Solidaritätsbekundungen die WM-Teilnahme aufs Spiel zu setzen. Sein Fass zum Überlaufen brachte der Tod von Mahsa Amini. Die 22-jährige war in Teheran von der Sittenpolizei verhaftet worden, weil sie ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen haben soll. Sie brach im Polizeigewahrsam zusammen und starb wenig später unter ungeklärten Umständen in einem Krankenhaus.
Über die sozialen Medien ließ Azmoun zunächst verlauten, dass der iranische Verband während seines momentanen Aufenthaltes in Österreich großen Druck auf die Spieler ausübt. So wird ihnen untersagt, sich zu den Vorfällen in der Heimat zu äußern. „Aufgrund der Regeln für unser Team dürfen wir dazu nichts sagen, ich jedoch kann dieses Schweigen nicht ertragen. Wenn ich aus dem Kader gestrichen werden sollte, dann ist es lediglich das kleine Opfer für ein Haar einer iranischen Frau. Mein Beitrag darf auf gar keinen Fall gelöscht werden - Schande über die, die Menschen einfach ermorden. Lang‘ lebe die iranische Frau!“, schrieb Azmoun bei Instagram. Kurz darauf war sein Statement gelöscht, zwei Stunden später dann wieder aufrufbar und nun ist es erneut nicht mehr zu finden. Es liegt die Vermutung nahe, dass sich zwischen Azmoun und dem Verband ein Machtkampf abspielt und zwar nicht nur in Österreich.
Im Iran bezahlt Azmoun
ein Frauen-Volleyballteam
Schließlich ist der im Iran zur ethnischen Minderheit der Turkmenen gehörende Azmoun ein Verfechter der Gleichberechtigung und er lässt diesem Wort auch Taten folgen. So hat der in der nordiranischen Provinz Golestan geborene Offensiv-Akteur der „Werkself“ in seiner Heimatstadt Gonbad-e-Kavus zusammen mit seinem Vater einen Frauen-Volleyballclub gegründet. „Im Iran kümmert man sich im Sport nicht viel um Frauen. Aber wir haben viel weibliches Talent für Volleyball. Also bezahle ich unseren Spielerinnen jeden Monat ein Gehalt. Viele von ihnen sind Nationalspielerinnen geworden“, sagte Azmoun in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ und ergänzte: „Wir werden eine gute Chance haben, iranischer Meister zu werden. Wenn wir das nicht schaffen, dann wäre ich arg enttäuscht.“
Noch enttäuschter wäre Azmoun allerdings, sollten die Machthaber im von ihm eigentlich geliebten Heimatland weiter an ihren Steinzeit-Haltungen festhalten und das nicht nur wie im traurigen Falle von Mahsa Amini im normalen Leben. „Ich bin Sportler und ich weiß daher, was auch Sportlerinnen benötigen. 90 Prozent der Frauen-Vereine bei uns bezahlen ihre Spielerinnen nicht, dabei betreiben sie Sport auf wirklich hohem Niveau. Im Männer-Sport und da insbesondere beim Fußball ist das völlig anders“, sagte Azmoun gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ und forderte: „Wir befinden uns im Jahr 2022. Wir müssen etwas verändern, wir können nicht leben wie vor 100 Jahren.“
Dafür würde Sardar Azmoun sogar auf seine Teilnahme an der Fußball-WM verzichten.