Höhepunkt der WM Boll und Ma Long verlieren episches Doppel

Düsseldorf (dpa) - 100 Millionen Menschen - das ist zumindest die Schätzung des chinesischen Staatsfernsehens, wie viele TV-Zuschauer sich allein im Land der Tischtennis-Weltmacht das Doppel zwischen Timo Boll und Ma Long auf der einen sowie Fan Zhendong und Xu Xin aus China auf der anderen Seite angesehen haben.

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Die aktuelle Nummer eins, zwei und drei der Welt sowie die frühere Nummer eins gemeinsam an einem Tisch: Am Ende verloren der einzige Deutsche und der beste Chinese das Achtelfinal-Match bei der WM in Düsseldorf mit 1:4 Sätzen. „Klar bin ich ein bisschen enttäuscht“, sagte Boll. „Die ein, zwei vergebenen Chancen, die dieses Spiel heute mit entschieden haben, die wünsche ich mir gerne noch einmal zurück.“

Für den mittlerweile 36 Jahre alten Rekord-Europameister, zweimaligen World-Cup-Sieger und olympischen Silber- und Bronzemedaillen-Gewinner war das Doppel mit Ma Long die vielleicht letzte Chance, doch noch zum ersten Mal Weltmeister zu werden. Rund 6000 Zuschauer in der Düsseldorfer Messehalle bekamen jedoch am Donnerstag das Gefühl: besser kann es bei dieser WM nicht mehr werden.

Was Boll/Ma Long und Fan Zhendong/Xu Xin eine Stunde lang zeigten, sprengte mitunter die menschliche Vorstellungskraft und schien einige Grenzen des Reaktionsvermögens oder der Körperbeherrschung zu verschieben. Beim Stand von 5:4 im fünften Satz sprang Timo Boll einen Meter in die Luft und schmetterte einen Ball auf die andere Seite des Tisches, den etwa 163,999 Millionen der weltweit rund 164 Millionen Tischtennis-Spieler nicht einmal gesehen hätten.

Fan Zhendong aber wehrte diesen Ball nicht nur ab, sondern spielte ihn mit noch mehr Geschwindigkeit und noch mehr Präzision wieder zurück. Punkt für China! Die frühere Nummer eins und die aktuelle Nummer eins der Welt schauten diesem Ball nur hinterher. „Das war ein Spiel auf allerhöchstem Niveau“, sagte Boll.

Das Tragische aus seiner Sicht ist, dass es pro Weltmeisterschaft immer nur ein Doppel gibt, das noch besser ist als Boll und Ma Long. Diesmal bekamen sie es in der dritten Runde zugelost, 2015 in Gestalt von Xu Xin und Olympiasieger Zhang Jike schon in der zweiten. Beide Male ging das Spiel verloren. „Diesmal war es nur noch besser als vor zwei Jahren“, sagte Bundestrainer Jörg Roßkopf hinterher.

Man kann über das Doppel Boll/Ma Long sagen: Wenn der Deutsche mit 36 Jahren schon nicht mehr gegen die Chinesen gewinnen kann, muss er eben mit einem von ihnen zusammenspielen, um etwas zu erreichen. Man kann das aber auch umdrehen und sagen: Hier verneigt sich die Übermacht dieses Sports vor der Karriereleistung ihres über Jahre hinweg größten Konkurrenten, wenn sie ihm gleich zweimal ihren Weltmeister und Olympiasieger an die Seite stellt.

Timo Boll ist in China noch viel populärer als in Deutschland, weil das Tischtennis dort eine so große Bedeutung hat. Es ist noch nicht lange her, da hatte er in den sozialen Netzwerken des Landes mehr Follower als der FC Bayern München. Über seine Bekanntheit in China sagte er dem Magazin „No Sports“ vor dieser WM in einem Interview: „Wenn meine Familie dort einkaufen gehen will, muss ich mich verkleiden, wenn ich mit will.“ Sonst käme er keinen Meter voran.

Nur zwei Stunden nach ihrem epischen Doppel standen Boll und Ma Long schon wieder im Einzel hinter dem Tisch. Der Chinese besiegte den Schweden Anton Källberg in 4:2 Sätzen und kann sich bei Fan Zhendong und Xu Xin im Verlauf der WM noch revanchieren. Auch Boll verdrängte all die Enttäuschung noch einmal und schlug den Polen Jakub Dyjas locker mit 4:0. Ein Wiedersehen mit seinen Doppel-Bezwingern wird aber schwer. Dafür müsste er vorher seinen Partner Ma Long besiegen.