Box-Trainer Roach: Ein Leben voller Schläge
Los Angeles (dpa) - Die Schläge haben ihn krank gemacht, sagt er. So krank, dass er sie heute wie Medizin braucht. Er kommt nicht mehr ohne sie aus. Sie prasseln auf ihn ein. Treffen ihn am Oberkörper, an den Händen, vereinzelt streifen sie sein Kinn.
Aber er steckt sie alle weg.
Erst als er aus dem Boxring steigt, wirkt er zerbrechlich. Sein Gang ist unsicher, seine Aussprache schleppend, sein Kopf schief. Freddie Roach, der derzeit beste Box-Trainer der Welt, leidet an Parkinson. Und braucht den Sport, den er für seine Erkrankung verantwortlich macht, zum Leben. „Ohne das Boxen wäre ich nicht mehr hier“, sagt Roach.
Sobald er in den Ring steige, ruhe seine Krankheit, erzählt Roach. Dann hält er in seinem eigenen Box-Gym in Hollywood einigen der härtesten Schlägern der Welt die Pratzen hin, die Schlagpolster. Dann trommeln sie auf den dicken Panzer ein, den er sich um den Bauch schnallt und dann treffen sie ihn schon mal aus Versehen im Gesicht. Dann lacht Roach herzlich. So ist Boxen eben. Man muss auch einstecken können.
Roach konnte schon immer einstecken. Mehr als viele seiner Gegner. Aber auch mehr, als für ihn gut war. Als Profiboxer nahm er die Schläge hin, die ihn später krank machen sollten. „Es ist nicht erwiesen, dass das Boxen für meine Parkinson-Erkrankung verantwortlich ist“, sagt Roach. „Aber ich glaube schon. Dennoch liebe ich diesen Sport.“
Paradox verlief auch das vergangene Wochenende für den 52 Jahre alten Roach. Erst verlor er am Samstag mit seinem Boxer Manny Pacquiao (Philippinen) den Weltmeistertitel und den Nimbus der Unbesiegbarkeit, dann wurde er am Tag darauf gemeinsam mit dem legendären Ex-Weltmeister Thomas Hearns in die Hall of Fame des Boxens aufgenommen. Der irischstämmige Roach, der sonst keinem Streit aus dem Wege geht, bekam gar keine Gelegenheit, sich groß über die skandalöse Punktniederlage seines Boxers aufzuregen.
Nun hängt sein Bild neben den unvergessenen Größen des Sports. Denn es zeigt eben nicht nur einen mittelmäßigen Profi, der es in 53 Kämpfen in den Jahren 1978 bis 1986 lediglich zum Federgewichts-Champion von New England brachte - sondern einen der erfolgreichsten Box-Trainer der Welt. Derzeit trainiert er die Weltmeister Amir Khan (Großbritannien) und Julio Cesar Chavez Jr. (Mexiko), der seinen WBC-Titel im Mittelgewicht an diesem Samstag in El Paso gegen den Iren Andy Lee verteidigen will. Auch Mike Tyson hielt er die Pratzen hin und Oscar De La Hoya. Als Roachs Meisterstück gilt jedoch Pacquiao - weil er aus dem Wirbelwind von den Philippinen in den vergangenen Jahren den besten Boxer des Planeten formte.
Nur einem konnte selbst Roach das Boxen nicht beibringen: dem Schauspieler Mickey Rourke. Dessen Profikarriere war allerdings auch nach acht Kämpfen schnell wieder beendet. Rourke aber hatte Roach, der sich zuvor nach seiner aktiven Karriere mit Gelegenheitsjobs im Spielerparadies Las Vegas über Wasser gehalten hatte, nach Los Angeles gelockt. Roach blieb und übernahm den Wild Card Boxing Club.
Roach ist längst selbst ein Star. Der mächtige amerikanische Fernsehsender HBO strahlte in den vergangenen Wochen eine Dokumentation über ihn mit dem Titel „On Freddie“ aus. Denn seine Geschichte berührt. Weil er den Einsatz, den er von seinen Boxern fordert, vorlebt. „Er ist eine Inspiration für mich“, sagt Pacquiao. Weil Roach sich seinem Schicksal nicht fügt, sondern weiter kämpft. Weil er jeden Morgen vor seinen Schützlingen im Gym ankommt, um selbst zu trainieren. Und weil er weiter Schläge einsteckt.