Kampf gegen das Verbot Das große Tabu: Frauenboxen in Kuba

Havanna (dpa) - Als Kubas Boxstar Julio César la Cruz bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro die Goldmedaille überreicht bekam, saß Namibia Flores neidisch vor dem Fernseher. So gerne hätte sie selbst einmal bei Olympia im Ring gestanden.

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Die inzwischen 40-Jährige gilt noch heute als riesiges Talent. Doch ausgerechnet in Kuba, das so viele internationale Erfolge wie kaum ein anderes Land im Boxsport errungen hat, ist Frauenboxen verboten.

„Ich bin total enttäuscht“, erzählt Flores der Deutschen Presse-Agentur. „Ich hätte meinem Land fast sicher eine Medaille geben können.“ Gerne hätte sie an die Tradition großer kubanischer Boxerinnen der 1950er Jahre angeknüpft, darunter etwa Felicia Mesa Zamá, bekannt als „Die Pantherin“. Doch nach dem Sieg von Fidel Castros sozialistischer Revolution im Jahre 1959 war mit Frauenboxen Schluss.

„Zu gefährlich für Frauen“ sei dieser Sport, hieß es damals. Und dabei blieb es auch, als das Internationale Olympische Komitee (IOC) drei Jahre vor den Spielen in London 2012 beschloss, Frauenboxen als olympische Disziplin zuzulassen.

Dabei gibt es auf der Karibikinsel offiziell gar kein Gesetz, das Frauenboxen verbietet. „Die kubanischen Frauen sollten ihre schönen Gesichter zeigen, statt Schläge einzustecken“, sagte Kubas damaliger Chefcoach Pedro Roque. Als dieser für die Olympischen Spiele 2012 in London das US-Box-Team übernahm, trainierte er allerdings auch die Frauen.

Anders hörte sich da schon der jetzige Trainer Raúl Fernández während der Spiele in Rio an, wo es für Kubas Boxer je dreimal Gold und Bronze gab: „Ich finde es in Ordnung, dass Frauen boxen, der Sport ist ein Grundrecht des Volkes.“ Im Vorfeld hatte es auch geheißen, anlässlich möglicher Regeländerungen seitens des Box-Weltverbandes AIBA prüften die kubanischen Sportbehörden eine Teilnahme von Frauen an internationalen Boxwettkämpfen.

Namibia Flores verliert nicht die Hoffnung: „Dass sich unsere Regierung nicht davon leiten lässt, was im Ausland gesagt wird, ist bekannt. Aber es kann Überraschungen geben. Wir werden sehen.“ Ihre Fäuste wusste Flores schon als 15-Jährige einzusetzen. Damals, so erzählt sie, habe sie ihren Bruder nach der Schule bei Prügeleien verteidigt. Später widmete sie sich dem Taekwondo, erreichte den schwarzen Gürtel und unterrichtete in mehreren Schulen. Aber das Boxen ließ sie nicht los. „Es ist wie ein kleiner Engel, den man in sich trägt“, sagt sie.

Also fing sie als Sparring-Partnerin in der legendären Boxhalle „Rafael Trejo“ in Havanna an. Ihre männlichen Kollegen hatten durchaus Respekt vor ihrem Schlag, erinnert sich Trainer Nardo Mestre, der sie als Boxerin entdeckte. „Ich bin davon überzeugt, dass Namibia eine Meisterin wäre“, sagt er.

Ihren Kampf für die Teilnahme an internationalen Wettbewerben hielt die US-Regisseurin Meg Smaker, die selbst Boxerin ist, in dem Dokumentarfilm „Boxeadora“ fest. Inzwischen ist Flores auch nicht mehr alleine: Fünf Boxerinnen trainieren derzeit in einem Trainingszentrum der Insel. „Die Nationale Boxkommission hat uns gesagt, wir sollten interessierte junge Frauen ausbilden, auch wenn es noch keinen Beschluss gibt“, sagte Coach Jesús Pérez der Zeitung „Vanguardia“.

Namibia Flores sieht ihre Zukunft inzwischen eher als Trainerin. Zwar konnte sie dank eines Visums in die USA reisen, doch auch dort blieben ihr Boxwettkämpfe verwehrt. Eine Zeit lang hat sie auch in Dänemark trainiert. „Im Ausland bin ich bekannter als im eigenen Land, draußen habe ich mehr Chancen“, sagt sie. Ihre Heimat dauerhaft verlassen wolle sie aber nicht: „Meine Wurzeln, Kuba und meinen Patriotismus werde ich nicht aufgeben.“