Herausforderer Huck verliert Schwergewichts-Debüt
Stuttgart (dpa) - Der Weltmeister taumelte, er schnappte nach Luft, aber der Weltmeister fiel nicht um. Nur mit letzter Willenskraft hielt sich Box-Champion Alexander Powetkin auf den Beinen, als der Schlussgong ertönte.
Das reichte, um Marco Hucks Traum vom WM-Titel im Schwergewicht zu zerstören.
„Der Typ konnte nicht mal mehr stehen und wird zum Champion ernannt“, meinte der enttäuschte Berliner nach dem nicht einstimmenden Punkturteil (114:114, 116:113, 116:112) zugunsten des Russen. „Ich habe mich als Sieger gesehen.“ Tatsächlich hätte Huck ein Unentschieden verdient gehabt.
Als sie später in den Katakomben der Stuttgarter Porsche-Arena einträchtig nebeneinander saßen, gab das Bild die Kräfteverhältnisse nur unzureichend wieder. Während Powetkin außer einer kleinen Schramme auf der Stirn ungezeichnet daherkam, versteckte Huck seine Blessuren hinter einer verspiegelten Sonnenbrille. Am rechten Auge des 27-Jährigen prangte ein großes Pflaster - Resultat eines gewaltigen linken Hakens Powetkins aus der elften Runde. Das war das letzte Aufbäumen des Russen gewesen. Im Anschluss gelang Huck vor 6,3 Millionen Fernsehzuschauern und 7000 in der ausverkauften Arena beinahe die Sensation.
Es hatten wohl nur Sekunden gefehlt bis zum ersten deutschen Titelträger in der Königsklasse seit Max Schmeling vor 80 Jahren. „Der war weg. Ein Schlag hätte gereicht“, sagte Hucks Trainer Ulli Wegner über Powetkins Zustand zum Ende der zwölf Runden. Der David hatte dem Goliath überraschend heftig zugesetzt. Fünf Kilogramm hatte Cruisergewichts-Weltmeister Huck zugenommen, um eine Klasse höher gleich bei seiner Premiere im Schwergewicht den mit 104 Kilogramm neun Kilo schwereren WBA-Weltmeister zu fordern. Ein riskantes Spiel, in dem ihm im Vorfeld nur wenige Chancen eingeräumt hatten.
Powetkin gehörte offenbar nicht zu ihnen. Der 32 Jahre alte Russe war mit einer Kondition für rund vier Runden nach Stuttgart gereist, schon im fünften Durchgang atmete er schwer. Wegners treffendes Urteil: „Der konditionelle Zustand war eines Olympiasiegers und Weltmeisters unwürdig.“ In der siebten Runde stand der zuvor in 23 Kämpfen unbesiegte Powetkin vor dem K.o., nachdem Huck ihn mit schweren Rechten hatte treffen können. Der Russe fing sich noch einmal, fand zurück in den Kampf - ehe er in der letzten Runde stehend K.o. schien. Und sich doch mit aller Routine aus 132 Amateurkämpfen über die Zeit rettete.
Sowie mit gnädiger Unterstützung des Ringrichters. Weil sich Powetkin immer dann, wenn es für ihn besonders brenzlig wurde, tief abduckte, unterbrach Luis Pabon aus Puerto Rico den Kampf. Und beraubte Huck damit der Chance, entscheidend nachzusetzen. „Das zeigt keine Klasse, den Kopf so tief zu nehmen“, sagte ARD-Experte Henry Maske. „Wenn es heute einen Verlierer gibt, dann den Ringrichter“, meinte auch die frühere Weltmeisterin Regina Halmich.
Powetkin, der wenige Wochen vor dem Kampf noch seinen Trainer ausgetauscht hatte, fand keine Erklärung für seinen Zustand. „Ich habe keine Ahnung. Die Schläge waren es nicht. Ich war einfach wahnsinnig müde“, sagte der Russe. Sein neuer Trainer Alexander Zimin wurde da schon etwas deutlicher. „Alexander sollte vielleicht ein bis zwei Kilogramm abnehmen“, sagte er.
Ob das Experiment im Schwergewicht für Huck eine Fortsetzung findet, blieb nach der Ringschlacht offen. „Ich würde mich sehr freuen, wenn Herr Powetkin ein Mann ist und mir ein Rematch gibt“, sagte Huck. Er trägt jedoch weiterhin den WBO-Titel im Cruisergewicht. Sein Promoter Wilfried Sauerland wünscht sich eine Rückkehr in die Klasse bis 90 Kilogramm. „Mir persönlich wäre es am liebsten, wenn Marco ins Cruisergewicht zurückgeht. Ins Schwergewicht kann er immer noch“, sagte Sauerland, für den auch Powetkin boxt.
Vor einem möglichen Rückkampf kommt für beide Boxer zunächst die Pflicht. Auf Huck wartet Herausforderer Ola Afolabi aus England, auf Powetkin der amerikanische Ex-Weltmeister Hasim Rahman. Frühestens im Herbst könnte es zu einer Neuauflage kommen.