Klitschkos Blitzkampf: Pfiffe, Hass und Solis-Pech
Köln (dpa) - Der schnelle K.o.-Sieg von Box-Weltmeister Vitali Klitschko gegen den Kubaner Odlanier Solis in Köln hinterließ fragende Gesichter, ein gellendes Pfeifkonzert und ein unwürdiges Nachspiel zwischen Solis-Promoter Ahmet Öner und Klitschko-Manager Bernd Bönte.
Erst das 179-Sekunden-Fiasko im Ring, dann kübelweise Hass-Tiraden auf Gossen-Niveau und schließlich ein schwer verletzter Herausforderer: Solis war sofort ins Krankenhaus gebracht worden. Die niederschmetternde Diagnose laut Arena-Stall: Riss des vorderen Kreuzbandes und des äußeren Meniskus sowie ein Knorpelschaden im rechten Knie.
Während Solis untersucht wurde, ging es in der Lanxess-Arena heiß her. „Asozialer“ und „Krimineller“ waren noch die saubersten Vokabeln, die auf der Pressekonferenz hin- und herflogen. Weil Bönte sich nicht an Öners gebrülltes „Halt die Fresse“ halten wollte, rutschten die Kampfstiere in Fäkalsprache ab, so dass eine Fotografin entnervt aufsprang und „Hört endlich auf!“ schrie. Schluss war jedoch noch lange nicht.
Unmittelbar vor dem Ende der ersten Runde erwischte Klitschko den mutigen und explosiv schlagenden Exil-Kubaner an der Schläfe, der strauchelte benommen im Rückwärtsgang, verdrehte sich dabei das rechte Knie, fiel hin und konnte nicht mehr stehen. Der Ringrichter zählte den wankenden Solis an, schaute ihm in die Augen und erkannte schließlich auf Knockout. Dabei hätte es laut Klitschko „eine Schlacht“ werden sollen. In der Tat war Solis' Kurzauftritt vielversprechend und kündigte ein sehenswertes-Duell an.
Weil Klitschkos Rechte keineswegs verheerend war, sieht Öner sie nicht als Ursache für das schnelle Ende an. Klitschko selbst räumte ein, es sei „kein Blackout-Treffer“ gewesen. Seinen ersten Eindruck, Solis simuliere, korrigierte er später aber. „Wenn Vitali ein echter Mann ist und er bis dahin noch nicht zurückgetreten ist, tritt er danach noch einmal gegen Solis an“, sagte Öner und ergänzte: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Vitali stolz auf einen Sieg ist, der auf einem Unfall und einer Verletzung beruht.“
Die 19 000 Zuschauer waren außer sich vor Enttäuschung und Wut, pfiffen, was das Zeug hielt, und waren deutlich lauter als das gesamte Vorprogramm mit der Pop-Gruppe Roxette und der nachgebildeten Dom-Glocke. Nicht einmal drei Minuten hatte jene Vorstellung gedauert, für die sie auf den billigsten Plätzen unterm Dach mindestens 25 Euro oder gar bis zu 600 Euro mit VIP-Bewirtung hingelegt hatten. „Es tut mir leid für die Zuschauer. Ich kämpfe nicht für mich, ich kämpfe für sie“, entschuldigte sich Klitschko.
Bönte hegt eine abgrundtiefe Abneigung gegen Öner, der wegen seiner Ausraster berüchtigt ist, sich einst bei einem Kampfabend in Hamburg mit Sicherheitskräften eine wilde Schlägerei geliefert hatte und im vergangenen Jahr wegen Erpressung, Körperverletzung und Nötigung zu einer 22-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden war. „Öner hat meine Familie bedroht und mich dreimal geschlagen“, erklärte Bönte.
Dem als höflichen Zeitgenossen bekannten Klitschko waren die Entgleisungen sichtlich peinlich. „Das ist eine private Sache zwischen Menschen. Ich möchte nicht Unterwäsche in der Pressekonferenz waschen“, meinte der 39-jährige Ukrainer, der jetzt 42 Siege in 44 Kämpfen auf dem Konto hat, davon 39 durch K.o. Sein nächster Gegner, versicherte der 2,02-Meter-Hüne, werde „noch besser als Solis“. Der Kubaner musste seine erste Niederlage nach 17 Siegen hinnehmen. Wegen der Verletzung schließt der Ringarzt gar ein Karriereende nicht aus.