Muhammad Ali: Künstler, Provokateur, Mythos

Hamburg (dpa) - Muhammad Ali feiert seinen 70. Geburtstag. Der größte Boxer aller Zeiten hat die Sportwelt fasziniert wie kaum ein anderer Athlet. Seine großen Kämpfe sind in ewiger Erinnerung. Auch 30 Jahre nach seinem letzten Duell muss Ali kämpfen: gegen die tückische Parkinson-Krankheit.

Der einstmals so stählerne Körper gebeugt, der Gang nur noch schlurfend, die zittrigen Arme gestützt von Frau und Tochter, die Stimme nicht mehr vernehmbar: Es schmerzt, es tut weh, Muhammad Ali leiden zu sehen. Man möchte ihm helfen und weiß doch, dass das nicht möglich ist. Nicht wenige fürchten, dass jeder öffentliche Auftritt sein letzter sein könnte. Der größte Boxer aller Zeiten ist an seinem 70. Geburtstag, den er am 17. Januar in seiner Heimatstadt Louisville begeht, gefangen von der Parkinson-Krankheit. Er weiß, dass er dieses Duell verlieren wird.

Am Samstag zuvor zeigte sich Ali bei einer Feier in Louisville. Die rund 350 geladenen Gäste, unter ihnen sein Trainer Angelo Dundee, begrüßten ihn begeistert mit Applaus und „Ali, Ali“-Sprechchören. Der Jubilar schnitt dann die kleine Geburtstagstorte an. Der Erlös der Veranstaltung kam der Ali-Stiftung zugute.

Auch an seinem schweren Lebensabend ist Ali der Kämpfer, der er immer war und der ihn weltweit zu einer der größten Legenden des Sports machte. Ali war ein grandioser Künstler im Faustgefecht, er hat die Massen mit seiner Perfektion im und seinem Charisma außerhalb des Rings fasziniert, er hat Millionen Menschen rund um den Erdball aus dem Schlaf gerissen und vor die Fernsehschirme gezerrt. Ali war Provokateur und Narziss zugleich; er hat Unrecht gegeißelt, Machthaber attackiert, Rassismus und Vietnam-Krieg gebrandmarkt. Der einstige dreimalige Weltmeister ist Held und Mythos. „Er ist wohl die bekannteste Figur auf Erden, bekannter als der Papst“, sagt Box-Manager Wilfried Sauerland, der Ali zweimal getroffen hat.

Als er noch Cassius Clay hieß und zwölf Jahre alt war, trieb ihn sein Gerechtigkeitsempfinden zum Boxen. Der schwarze Junge wollte denjenigen bestrafen, der ihm sein Fahrrad geklaut hatte. Sechs Jahre später, 1960 in Rom, war der smarte Bub Olympiasieger. Die Medaille landete im Ohio River, weil ihm in einem Restaurant seiner Heimatstadt wegen seiner Hautfarbe die Bedienung verweigert worden war. So heißt es zumindest, wenngleich einige Ali-Biografen das bezweifeln, wohl aber den Verlust der Medaille erwähnen. Eine neue güldene Plakette bekam er 1996, als er - gezeichnet von der Schüttellähmung - vor Milliarden TV-Zuschauern mit zittriger Hand das olympische Feuer in Atlanta entzünden durfte. Spätestens da schlossen ihn auch jene gerührt ins Herz, die ihn einst ablehnten.

Ali war geradlinig, aber auch widersprüchlich, Ali schwamm gegen den Strom und passte sich doch an: des Fortkommens wegen, der eigenen Eitelkeit folgend und natürlich auch des schnöden Mammons wegen. Als er merkte, dass sich seine bis heute unerreichten boxerischen Fähigkeiten mit großen Sprüchen besser verkaufen ließen, schliff er sein rhetorisches Talent und wurde zum boxenden Entertainer. Wer Ali nie im Ring sah, kennt dennoch seinen Urschrei: „Ich bin der Größte.“ An seinen Rivalen ließ er zumeist kein gutes Haar: Die waren „hässlich“, „Penner“, „Analphabeten“ oder „Zuchthaus-Boxer“.

„Ich habe die Welt durchgeschüttelt“, schrie er 1964 nach seinem sensationellen ersten WM-Titelgewinn gegen Sonny Liston in die Mikrofone. Der Lautsprecher aus Louisville, der nach dem Titelgewinn zum Islam übertrat und sich Muhammad Ali nannte, setzte auch boxerisch neue Maßstäbe. „Ali-Shuffle“ oder „Schwebe wie ein Schmetterling, stich wie eine Biene“ wurde das genannt, was Ali so perfekt beherrschte: unglaublich leichtfüßig und schnell wie ein Federgewichtler durch den Ring tänzeln, mit herausragenden Reflexen den Gegner ins Leere schlagen lassen, ansatzlos den Rivalen treffen.

Die dreijährige Sperre, die dem Gegner des Vietnam-Krieges 1967 wegen Kriegsdienstverweigerung aufgebrummt worden war, hatte an Alis Boxkunst genagt. Die WM-Titel von WBA und WBC war er los. Als er 1970 sein Comeback gab, war er nicht mehr so schnell und leichtfüßig. Doch seine Kämpfe waren spektakulärer denn je, und er wurde wieder Champion. In Erinnerung geblieben sind vor allem Duelle gegen seinen im vergangenen November gestorbenen großen Rivalen Joe Frazier. Im ersten kassierte Ali am 8. März 1971 in New York die erste Niederlage seiner Karriere. Das dritte ging als die wohl größte Ringschlacht in die Boxgeschichte ein: Im „Thrilla in Manila“ lieferten sich Ali und Frazier am 1. Oktober 1975 bei tropischer Gluthitze einen gnadenlosen Schlagabtausch über 14 Runden, ehe Frazier auf Order seines Trainers aufgab. „Wir kamen als junge Champions nach Manila und gingen als alte Männer“, gestand der dreimalige Weltmeister später.

Doch Ali verpasste wie so viele große Boxer vor und nach ihm den richtigen Zeitpunkt für den Abschied. Schon gezeichnet von der heraufziehenden Krankheit, verlor er am 11. Dezember 1981 in einem erschütternden Auftritt gegen den Kanadier Trevor Berbick. Als „Drama auf den Bahamas“ ging der Fight in die Geschichte ein. Ob zahlreiche Kopftreffer und Parkinson in kausalem Zusammenhang stehen, ist bis heute nicht bewiesen. Der neunfache Vater, der zum vierten Mal verheiratet ist, lamentiert jedoch nicht, betrachtet seine Krankheit als „einen Test Gottes“. „Du wirst eines Tages sterben. Also sei bereit, um in den Himmel zu gehen und um ewig glücklich zu leben“, lautet sein Credo.