Zukunfts-Boxer Zeuge stellt Abraham in die zweite Reihe

Berlin (dpa) - Tyron Zeuge soll werden, was Arthur Abraham schon war: Weltmeister. Der 24 Jahre alte Profiboxer aus dem Sauerland-Stall schickt sich am Samstag in der Berliner Max-Schmeling-Halle an, dem Italiener Giovanni de Carolis den WM-Gürtel der WBA im Supermittelgewicht zu entreißen.

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Zeuge ist der Mann für die Zukunft bei Sauerland. Abraham steht für die Erfolge der Vergangenheit. Der 34-Jährige, der vor drei Monaten in Las Vegas eine schmachvolle Niederlage gegen den Mexikaner Gilberto Ramirez und den Verlust seines WBO-Gürtels im Supermittelgewicht hinnehmen musste, boxt bezeichnenderweise in Zeuges Vorprogramm. Gegner ist der Norweger Tim Robin Lihaug (15 Kämpfe, 14 Siege) - ein Mann mit überschaubaren Qualitäten. Erste Wahl ist Abraham derzeit nicht.

„Das wird ein wegweisender Abend“, sagt Manager Wilfried Sauerland. Der 76 Jahre alte Grand Seigneur des deutschen Berufsboxens richtet die Ansage an beide Angestellte. „Tyron ist die Zukunft, und Arthur hat die Chance, noch mal oben anzuklopfen.“ Siegt Zeuge, unterbietet er Graciano Rocchigiani als bislang jüngsten deutschen Boxweltmeister um acht Tage. „Tyron ist eines der größten Talente Deutschlands. Er ist ein Allrounder“, schwärmt Promoter Kalle Sauerland. „Er hat Power, Speed und Technik.“

Die Elogen kommen nicht selbstverständlich. Zeuges Karriere stand vor nicht allzu langer Zeit vor dem Abbruch. Dem 1,79 Meter großen Berliner war die Disziplin für den Leistungssport abhandengekommen. Regelmäßiges Übergewicht bis zu 20 Kilo und fehlende Lust wurden zum Ärgernis. „Ich wäre beinahe Türsteher oder Taxifahrer geworden“, gesteht Zeuge. Es folgte der letzte Versuch: Trainerwechsel. Zeuge trennte sich von Karsten Röwer. Seither wird er von Halbschwergewichts-Weltmeister Jürgen Brähmer in Schwerin betreut. Ihm zur Seite steht Conny Mittermeier.

„Im Januar kam er desolat zu mir“, berichtet Brähmer. „Wir haben ein Bombentraining. Es läuft so, wie ich mir das vorstelle.“ Sollte Zeuge sich den Gürtel schnappen, gebe es ein Novum im Preisboxen: Ein aktiver Weltmeister führt einen anderen Boxer ebenfalls zum WM-Titel. „Der Rekord ist mir egal. Ich kann auch einer alten Frau zehnmal über die Straße helfen. Dann habe ich auch einen Rekord“, sagt Brähmer.

Brähmer, in seiner Sturm- und Drangphase selbst ein Problemboxer, ruht mittlerweile in sich und scheint ein gutes Händchen für pflegeintensive Talente zu haben. Den Trainerwechsel bezeichnet Zeuge als „entscheidende Änderung“, die er gebraucht habe. „Jürgen ist ein strenger Lehrer, auch wenn er nicht so aussieht. Er ist ein super Typ. Ich mag, wie er boxt“, schmeichelt Zeuge seinem Coach.

Das Duo hat vor der WM kein Bauchgrummeln. Zeuge ist entspannt, Brähmer optimistisch. Der Coach erklärt: „Sechs Minuten Gegner-Video reichen. Wir konzentrieren uns auf unsere Stärken. De Carolis boxt clever, die Vorteile liegen aber bei Tyron.“

Der italienische Titelverteidiger hat Erfahrung mit Sauerland-Boxern. Gegen Abraham verlor er vor knapp drei Jahren nach Punkten. Gegen den 20-Jährigen Vincent Feigenbutz hatte er zunächst umstritten verloren, um fünf Monate später durch technischen K.o. zu gewinnen. Zeuge will er eine Spezialbehandlung angedeihen lassen, dass dieser „nicht nur ins Stolpern kommt, sondern fällt“, wie der 31-Jährige sagt.