Interessenkonflikt Dopingkontrollen bei Fußball-WM: NADA kritisiert FIFA

Berlin (dpa) - Die Nationale Antidoping-Agentur hat die Dopingkontrollen bei der bevorstehenden Fußball-WM wegen „enormer Interessenkonflikte“ kritisiert.

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„Der Sport kontrolliert sich hier wieder selbst, davon wollen wir wegkommen“, sagte die NADA-Vorsitzende Andrea Gotzmann bei der Vorstellung des Jahresberichts in Berlin: „Die Antidoping-Arbeit muss von unabhängigen Einrichtungen durchgeführt werden.“ Der Weltverband FIFA übernimmt bei der WM in Russland die Dopingverfahren wieder selbst.

FIFA-Präsident Gianni Infantino hatte am Montag in Zürich gesagt: „Wenn es um das Thema Doping geht, haben wir alles getan, was wir tun konnten. Test und Re-Test, doppelte Tests und nochmal Tests - und die Kontrolle der Proben und Behälter. Alles in Kooperation mit der Welt-Antidoping-Agentur.“

Der Fußball und die Antidoping-Organisationen - das bleibt ein Spannungsfeld. Auch der Deutsche Fußball-Bund überlässt im Unterschied zu mehr als 40 anderen Spitzenverbänden des deutschen Sports die Sanktionierungen nicht der NADA. Chefjustiziar Lars Mortsiefer bot dem DFB erneut an, wie eine „Staatsanwaltschaft“ die Federführung von rechtlichen Verfahren zu übernehmen.

Mit Entsetzen reagierte Mortsiefer auf die Aussetzung einer 14-monatigen Dopingsperre für den peruanischen Stürmer Paulo Guerrero, damit der 34 Jahre alte ehemalige Profi von Bayern München und vom Hamburger SV an der WM teilnehmen kann. „Ich war schockiert“, sagte der Justiziar über eine entsprechende Entscheidung des Schweizer Bundesgerichts in der vergangenen Woche: „Der Fußball nimmt hier wieder eine Sonderrolle ein.“

Die NADA verzeichnete im vergangenen Jahr 82 mögliche Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen, das sind 16 weniger als im Jahr 2016. Die Zahl der sanktionierten Verstöße stieg auf 24 (Vorjahr: 20). Insgesamt entnahm die NADA 16 351 Proben (12 606 Urinproben, 3745 Blutproben), rund 1000 mehr als 2016.

Der Jahresetat betrug zuletzt 9,4 Millionen Euro, 5,8 Millionen davon sind Mittel aus dem Bundeshaushalt, 2,9 Millionen steuern die Sportverbände bei. Die NADA-Vorsitzende Gotzmann kritisierte, dass sie keinen bedeutenden Unterstützer aus der Wirtschaft mehr hat. „Für die Wirtschaft ist das ein Igitt-Thema“, sagte Gotzmann: „Man steht lieber neben einem strahlenden Goldmedaillengewinner. Aber man muss klar sagen, dass es die dunklen Seiten des Sports gibt: Manipulation, Korruption, Doping.“

Für Gotzmann ist „das Vertrauen der sauberen Athletinnen und Athleten in das System und in die Anti-Doping-Institutionen erschüttert“. Dafür macht sie nicht allein das in den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi gipfelnde Dopingsystem im russischen Sport an sich als Grund aus, „sondern, dass keine nachvollziehbaren Konsequenzen daraus gezogen wurden“.

Dass sich russische Sportfunktionäre im vergangene Monat in einem Brief an die Welt-Antidoping-Agentur gewandt und Dopingverstöße zugegeben haben, reicht ihr bei weitem nicht. Sie betonte, dass Russland auch in diesem Schreiben nicht die Inhalte des sogenannten McLaren-Berichts anerkannt habe, der unter anderem darstellt, welchen Einfluss der Staat auf das System hatte.

„Die Thematik Russland beschäftigt uns weiter“, sagte Gotzmann, „erst wenn alle Forderungen der WADA erfüllt sind, kann das Antidopinglabor in Moskau wieder zugelassen werden.“ Das wäre ein wesentlicher Schritt zur vollständigen Rückkehr Russlands in den Weltsport.