Deutschland Cup in Krefeld Eishockey-Bundestrainer Söderholm: „Auf Glück kann man nicht vertrauen“

Krefeld · Eishockey-Bundestrainer Toni Söderholm misst dem Deutschland Cup in Krefeld einen hohen Stellenwert bei – und fordert, Olympia 2018 ad acta zu legen.

Eishockey-Bundestrainer Toni Söderholm fordert die Zahl ausländischer Spieler in den Kadern der DEL-Clubs zu verringern.

Foto: dpa/Armin Weigel

Für die Eishockey-Nationalmannschaft ist der Deutschland Cup vom 7. bis 10. November in Krefeld der einzige große Test vor der WM im kommenden Jahr. Es ist das erste Turnier auf heimischem Boden mit Bundestrainer Toni Söderholm.

Herr Söderholm, glaubt man einer Umfrage aus der „Eishockey News“, sehen die Fans die Erfolgsaussichten für ihr Team beim Deutschland Cup skeptisch. Was entgegnen Sie dem?

Toni Söderholm: Wie misst man denn Erfolg? Geht es da nur um die Platzierung?

In der Umfrage schon, da glauben nur acht Prozent an den Turniersieg. Warum sollen sie trotzdem in die Halle kommen?

Söderholm: Wenn sie vom deutschen Eishockey begeistert sind, sollten sie kommen.

Viele waren vor allem von der Silbermedaille in Südkorea begeistert. Die ist gerade mal eineinhalb Jahre her, und trotzdem stehen nur vier Spieler aus der Olympia-Mannschaft im aktuellen Kader. Warum ist der Umbruch so radikal?

Söderholm: Das hat mehrere Gründe. Einige Spieler sind zurückgetreten, einige haben derzeit einen engen Kalender und brauchen eine Pause, einige sind ein wenig angeschlagen.

Oder ist das Ihre Art zu sagen, das ist jetzt meine Mannschaft?

Söderholm: Nein, überhaupt nicht. Das ist nicht meine Art, das so zu sagen. Die Mannschaft ist ja immer meine, wenn ich eingeladen habe. Außerdem: Lassen Sie uns jetzt wirklich wegkommen von Olympia. Das war eine richtig tolle Geschichte, aber jetzt müssen wir etwas Neues anfangen. Und dazu gehört, dass neue Spieler in die Nationalmannschaft kommen.

Welchen Stellenwert hat der Deutschland Cup mit Blick auf die WM 2020 in der Schweiz?

Söderholm: Das ist das einzige Turnier, das wir vor der WM haben, also hat das einen sehr großen Stellenwert.

Wie muss man sich Ihren Alltag vorstellen, wenn Sie Ihre Mannschaft nicht mal zwei Monate im Jahr beisammen haben? Was machen Sie so den ganzen Tag?

Söderholm: In den letzten Monaten war ich fast jeden Tag bei Vereinen unterwegs. Aber ich sehe mich nicht nur als Bundestrainer, es geht darum, das deutsche Eishockey insgesamt nach vorne zu bringen. Dazu stellen wir gerade taktische Ideen zusammen und bauen ein durchlaufendes Konzept von der A-Nationalmannschaft bis zur U16 auf. Wir versuchen, ein Rahmentrainingskonzept zusammenzustellen, damit wir da auf einer gemeinsamen Straße fahren. Und dann schaue ich mir natürlich Spiele an. Sehr viele Spiele.

Was Sie da sehen, ist vor allem nordamerikanisch geprägt. Gibt es aus Ihrer Sicht überhaupt einen deutschen Eishockey-Stil oder sind Sie und Ihre Mitstreiter gerade erst dabei, den zu entwickeln?

Söderholm: Die Entwicklungsarbeit hat schon unter Marco Sturm begonnen, wir führen das jetzt fort. Das Grundgerüst besteht immer aus harter Arbeit, das passt zu den deutschen Spielern. Ich versuche jetzt, Ihnen klar zu machen, dass sie mehr können und sich mehr zutrauen sollen.

Auch damit hatte Ihr Vorgänger Marco Sturm bereits begonnen. Ihm war es wichtig, dass die Mannschaft auch gegen große Gegner nicht aufs Eis geht, um nicht zu verlieren, sondern um zu gewinnen.

Söderholm: Genau, das sind zwei völlig verschiedene Herangehensweisen.

Und das soll sich auch auf den Spielstil auswirken? Früher war die deutsche Mannschaft dafür bekannt, defensiv zu denken, den Puck tief zu spielen und hinterherzurennen. Sie bevorzugen eher den spielerischen Ansatz mit Scheibenkontrolle.

Söderholm: Ja, aber auch das ist defensiv. Wenn du die Scheibe hast und sie kontrollierst, hat der Gegner weniger Möglichkeiten, Tore zu schießen.

Sie sind seit knapp einem Jahr Bundestrainer und kommen ursprünglich aus Finnland. Was hat sie am meisten am neuen Job überrascht?

Söderholm: Wie wenig Wert die Entwicklungsfrage hier hat. Die anderen Nationen sehen ihre Ligen als Ausbildungsligen. In Deutschland ist das nicht so. Das ist nicht komplett negativ, aber wenn man sich weiterentwickeln will, muss man in diese Richtung arbeiten.

Jetzt kann man natürlich entgegnen, dass es gerade dieses Jahr auffällig viele junge Talente gibt, die in der DEL für Furore sorgen: Tim Stützle, JJ Peterka, Justin Schütz, Lucas Reichel oder Hendrik Hane. Hat das deutsche Eishockey also einfach Glück, dass da gerade ein besonderer Jahrgang erwachsen wird oder hat sich wirklich etwas in der Ausbildung verändert?

Söderholm: Es gibt noch sehr viel zu verbessern, denn auf Glück kann man nicht vertrauen. Aber es hat sich viel positiv entwickelt durch das Fünf-Sterne-Programm (die Jugendabteilungen müssen bestimmte Anforderungen erfüllen und werden danach bewertet, Anm.d.R.). Das hat man an der U20- und an der U18-Nationalmannschaft gesehen, die beide aufgestiegen sind. Es gibt also nicht nur die Toptalente, über die nun alle reden, es gibt dahinter auch viele junge Spieler, die das Potenzial haben, sich zu richtig guten Eishockeyspielern zu entwickeln. Aber dafür brauchen sie Eiszeit. Und ich würde mir wünschen, dass sie die bekommen. Es gibt mehrere junge Spieler, die jetzt schon in der DEL spielen sollten.

Das heißt, auch Sie fordern, dass die Zahl der Kontingentstellen für ausländische Spieler in der DEL verringert werden sollten? Früher hieß es, es gäbe nicht genügend gute deutsche Spieler. Jetzt gibt es die?

Söderholm: Ja, aus meiner Sicht könnte man es zumindest probieren. Die Jungs würden sich schnell entwickeln, einen Unterschied zum jetzigen Niveau in der DEL würde man nicht merken. Außerdem würde man etwas Geld sparen und könnte das wieder zurück in die Jugend oder in bessere Ausländer investieren.

Die DEL-Manager sagen genau das Gegenteil: Dass es mit weniger Ausländern teurer wird, weil deutsche Spieler mehr verdienen.

Söderholm: Das stimmt nicht, nicht wenn es um junge deutsche Spieler geht.

Durch die Silbermedaille und die WM in der Slowakei sind die Ansprüche gestiegen. Was muss geschehen, damit das Team denen langfristig gerecht wird?

Söderholm: Wenn man jetzt ein Projekt beginnt, kann das fünf, sechs, sieben Jahre dauern, bis es etwas bringt. Aber in Deutschland gibt es Potenzial, dass man es schneller machen kann. Ob man jedes Jahr ins Viertel- oder sogar ins Halbfinale komme kann, hängt von so vielen Faktoren ab. Man sollte uns nicht immer nur daran messen, ob wir Vierter, Fünfter oder Elfter sind. Andere Sachen sind genauso wichtig: Wie viele Spieler tragen aktuell wirklich Verantwortung in einer DEL-Mannschaft? Wie viele Spieler schicken wir nach Nordamerika? Wie viele Spieler schicken wir in die KHL, nach Schweden oder Finnland? Wie viele Kinder fangen überhaupt mit Eishockey an? Wie viele U16-Nationalspieler erreichen die A-Nationalmannschaft. Das sind Fragen, mit denen wir uns beschäftigen müssen, um zu sagen, ob wir Erfolg haben.

Was ist drin beim Deutschland Cup?

Söderholm: Ich erwarte, dass die Jungs mit leuchtenden Augen zu den Spielen kommen. Ob sie alle Kleinigkeiten umsetzen können, werden wir dann sehen.