Eishockey-Hierarchie wankt - „Keine Überraschung“

Bratislava (dpa) - Erst Deutschland, dann Norwegen und zuletzt beinahe Lettland: Bei der Eishockey-Weltmeisterschaft rütteln die „Kleinen“ am Thron der „Großen“.

Aus einem Schaulaufen in der Vorrunde wurde für manchen Topfavoriten ein Kampf um jeden Punkt. „Mich überrascht gar nichts mehr“, sagte dazu Glen Hanlon. Der Trainer vom Gastgeber Slowakei erlebte spätestens bei der 3:4-Niederlage gegen das deutsche Team hautnah, wie die Hierarchie ins Wanken geraten ist. An einen Zufall glaubt der Kanadier nicht: „Jeder kann jeden schlagen.“

Am Montag hätte es beinahe Ex-Weltmeister Finnland erwischt, in den vergangenen fünf Jahren immerhin zweimal Bronze- und einmal Silbermedaillengewinner. Erst im Penaltyschießen rangen die Skandinavier Lettland nieder. Zum Vergleich: Die Balten kamen nie über das WM-Viertelfinale hinaus. „Wir sind glücklich, im Shootout gewonnen zu haben“, meinte der finnische Stürmer Mikael Granlund erleichtert.

Von Klassenunterschieden ist keine Spur mehr. Den Underdogs reichen Punktgewinne nicht mehr aus - durch die Niederlage im Penaltyschießen erhält Lettland immerhin einen Zähler. „Um ehrlich zu sein: Wir wollten gewinnen und sind nicht ganz zufrieden“, sagte der lettische Torhüter Edgar Masalskis.

Die Finnen zogen den Kopf aus der Schlinge, was dem achtmaligen Weltmeister Schweden gegen Norwegen nicht gelungen war. Erstmals überhaupt in einem Pflichtspiel hatten die „Tre Kronor“ beim 4:5 im Shootout gegen den Nachbarn den Kürzeren gezogen.

Der Unterschied ist die Motivation, da spielen große Namen keine Rolle. „Viele Dinge hängen von der Einstellung ab“, räumte Russlands Coach Wjatscheslaw Bykow nach dem lustlosen Auftritt seines Starensembles beim Zittersieg gegen Slowenien ein. Außerdem meinte der frühere Stürmer: „Bei einer WM gibt es keine schlechten Teams.“

Im Gegenteil, manche wachsen sogar über sich hinaus: Deutschland rang die Slowakei nieder, obwohl die Auswahl der Hausherren mit NHL-Stars wie Marian Hossa gespickt war. „Wenn ein Hossa nur 100 Prozent und nicht 110 Prozent gibt, verliert er eben auch mal“, sagte Stürmer Felix Schütz. Beim 4:3 am Sonntag hatte er Stanley-Cup-Gewinner Hossa noch den Puck vor dem zweiten deutschen Treffer abgeluchst. „Sobald du jemanden unterschätzt, hast du ein Problem“, sagte Schütz.

Vor Jahren noch belächelt, flößen die Deutschen der Konkurrenz plötzlich Respekt ein. „Die hohe Qualität des deutschen Spiels hat letztlich sogar meine Erwartungen übertroffen“, sagte Tschechiens Coach Alois Hadamczik dem Fachblatt „Eishockey News“. In der Zwischenrunde trifft Deutschland unter anderem auf den Titelverteidiger, und Hadamczik sagte bereits vorsichtig: „Im weiteren Verlauf kann das Team jedem Gegner gefährlich werden.“