3:2 nach Verlängerung Deutschland schafft Eishockey-Coup gegen Finnland
Herning (dpa) - Deutschlands Eishockey-Nationalteam hat dank eines überragenden WM-Debütanten Mathias Niederberger die Sensation gegen Finnland geschafft.
Mit dem 3:2 nach Verlängerung (0:1, 2:0, 0:1) gegen den zweimaligen Weltmeister feierte der neuformierte Olympia-Zweite völlig überraschend auch dank des starken Torhüters Niederberger den ersten WM-Coup über den zweimaligen Champion seit 25 Jahren.
Die Auswahl von Bundestrainer Marco Sturm belohnte sich vor 5077 Zuschauern in Herning dank der Treffer von Nordamerika-Stürmer Frederik Tiffels (26. Minute), Verteidiger Björn Krupp (39. Minute) und WM-Neuling Markus Eisenschmid nach zwei Minuten der Verlängerung für eine insgesamt starke Leistung. „Das tut gut. Es war ein guter Schritt in die richtige Richtung. Mir hat gefallen, wie wir zusammen gespielt haben“, sagte Sturm.
Zweieinhalb Monate nach dem dramatisch verlorenen Finale von Pyeongchang darf die Auswahl dank der bislang besten Turnierleistung doch noch auf ein versöhnliches Turnier-Ende in Dänemark hoffen. „Ich bin überglücklich. Das ist eine Klasseleistung“, sagte Goalie Niederberger. „Gegen so einen Großen muss alles passen. Heute haben wir alle dafür gearbeitet“, meinte Verteidiger Korbinian Holzer.
Die letzte realistische Chance auf das dritte WM-Viertelfinale unter Sturm hatte die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bunds am Samstag mit dem 1:3 gegen Lettland verspielt. Als kaum einer mehr mit dem zweiten Vorrundenerfolg rechnete und es vor allem darum ging, sich mit Anstand aus dem Turnier zu verabschieden, sammelte das verjüngte Nationalteam mächtig Selbstvertrauen für das abschließende Vorrundenspiel. Am Dienstag (16.15 Uhr) trifft Deutschland noch auf den 26-maligen Weltmeister Kanada.
Zwar überwand Eeli Tolvanen schon in der 3. Minute den Düsseldorfer Goalie Niederberger, der als zehnter deutschen WM-Debütant diesmal Sturms Vertrauen bekommen hatte. Nach schwierigen Anfangsminuten kam der Außenseiter aber besser ins Spiel und ließ sich auch vom späten Ausgleich durch Sebastian Aho (58.) nicht schocken. Zuletzt hatte ein deutsches Team 1993 in Dortmund bei einer Weltmeisterschaft gegen die Eishockey-Top-Nation gewonnen.
Zuvor hatte das Turnier aufgezeigt, wie schwierig der Umbruch im deutschen Eishockey nach der Sensation von Pyeongchang ist und die Stimmung war gedrückt gewesen. „Jetzt ist ein neuer Abschnitt, und man braucht eine gewisse Zeit. Wir müssen jedes Jahr hart kämpfen um Plätze und Punkte. Das wird sich in naher Zukunft nicht ändern“, sagte Sturm, bevor auch ihn wohl seine Jungs überraschten.
Der Umbruch war groß und Sturm hatte selbst nicht mit insgesamt 17 Ausfällen und Absagen, Verletzungen und Rücktritten kalkuliert. Dass Leader wie Christian Ehrhoff (35), Marcel Goc (34) und Patrick Reimer (35) nach Olympia zurücktreten, war zwar absehbar. Der 39-Jährige darf sich aber auch ein wenig im Stich gelassen fühlen. Auch wenn er das selbst nicht direkt zugibt. „Das ist immer die Entscheidung von den Spielern“, sagte er. Für ihn sei es wichtig, dass sie tatsächlich helfen wollen. „Nur solche Spieler brauche ich“, stellte er klar. Wenn einer sich nicht sicher sei, „dann soll er lieber zuhause bleiben“.
Nur zwei Monate nach den einmaligen Emotionen von Pyeongchang und am Ende einer kräftezehrenden Saison mussten sich die Nationalspieler für die jährlich ausgetragene WM aufraffen. Auch Sturm wusste erst kurz vor dem Auftakt, dass ihm nur fünf von zehn Silbergewinnern der DEL-Finalisten München und Berlin zur Verfügung stehen. „Es sind mehr weggefallen als geplant“, räumte der Coach ein. Kapitän Dennis Seidenberg kritisierte: „Wir haben zu viele Absagen gehabt.“
Junge Profis füllen in Dänemark auch notgedrungen die Lücken. Sturm mahnt und kritisiert, dass es an Qualität und Quantität im deutschen Nachwuchs mangelt. Dass Deutschland der internationalen Entwicklung weit hinterherhinkt. In Herning erweckte er den Anschein, als ob er selbst nicht so sehr an sein Team glaube wie in der Vergangenheit.
Der Coup über die Finnen dürfte dem nach Olympia neu aufgekommenen Eishockey-Hype gut tun. DEB-Präsident Reindl hatte ohnehin nicht mit einem schnellen Ende der Euphorie gerechnet: „Die Zahlen, die wir haben, sind positiv. Das wird sich durch das Nicht-Erreichen des Viertelfinals nicht ändern.“