Eishockey WM 2017 „Jesus Greiss“ — endlich Nummer eins

Seit 2006 spielt der deutsche Eishockey-Torwart in den USA, doch erst im Dezember gelang ihm dort der große Durchbruch. Am Freitag will er zum Start der WM den Vereins-Kollegen aus New York den Sieg verwehren.

Am Freitag geht es erst einmal gegen die USA.

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Köln. Seit es zwischen Marktoberdorf und Füssen eine neue Umgehungsstraße gibt, ist es ruhig geworden in Roßhaupten. Der kleine Ort im Ost-Allgäu ist jetzt ein verschlafenes Nest. Lediglich aus einem Hause ertönt hin und wieder etwas Lärm, genauer gesagt Jubel. Dann nämlich, wenn Paul und Ursula Greiss mal wieder die Paraden sowie Siege ihres Sohnes feiern.

Der Sohn, das ist Thomas Greiss. Seit 2006 schon verdient er sein Geld als Eishockey-Torhüter in den USA, aktuell spielt er für die New York Islanders. „Wir haben einen amerikanischen Sender abonniert, da können wir für 100 Dollar im Monat alle Spiele sehen. Gut ist dabei, dass dies auch zeitversetzt geht. Wir schauen dann immer nachmittags bei Kaffee und Kuchen. Nachts brauchen wir ja doch unseren Schlaf“, erzählt Papa Greiss im Gespräch mit unserer Zeitung.

In nächster Zeit aber wird es in Roßhaupten noch ruhiger. Die Greissens sind ausgeflogen, auf nach Köln. Schließlich findet dort die Eishockey-Weltmeisterschaft statt und Sohn Thomas ist einer von drei Torhütern der deutschen Nationalmannschaft. Dass der 31-Jährige im Eröffnungsspiel gegen die USA am Freitag um 20.15 Uhr (live bei Sport1) zwischen den Pfosten steht, gilt als sicher. „Das ist ja doch eine spezielle Partie für mich. Es wird hoffentlich lustig, gegen meine beiden Klub-Kameraden Anders Mark Lee und Brock Nelson anzutreten“, sagte Thomas Greiss.

Der sollte dann allerdings auch im weiteren Turnier-Verlauf zumeist das deutsche Tor hüten. Denn erstens holt Bundestrainer Marco Sturm keinen Akteur aus den USA, um ihn nur auf die Bank zu setzen, und zweitens sprechen die Leistungen für Greiss: Seit Januar ist er unumstritten die Nummer eins der Islanders. Vor allem wegen seiner Paraden hätten die Kufenflitzer aus Brooklyn ihre Aufholjagd in der Liga beinahe doch noch mit der Qualifikation für die Play-offs gekrönt.

Am Ende reichte es knapp nicht — für das deutsche Team ein Glücksfall. Denn für Greiss war es keine Frage, sich sofort ins Flugzeug zu setzen. „Eine Heim-WM ist etwas ganz Großes und gerade in Köln für mich natürlich besonders toll zu spielen“, sagte Greiss. Bei den Kölner Haien schaffte er nach seinem Wechsel aus der Jugend des EV Füssen von 2003 bis 2006 den Sprung zu den Profis. „Ich habe beim KEC viel gelernt, es waren überragende Jahre in Köln“, sagte Greiss.

Für den Schweiger sind solche Sätze fast schon eine Rede-Flut. Worte mag er nur selten verlieren, Interviews sind erst recht nicht sein Ding. Nach den Spielen verbringt er die Zeit am liebsten mit Ehefrau Brittney — der ehemaligen „Miss North Dakota“ — und der 18 Monate alten Tochter im Häuschen auf Long Island. „Thomas ist eben ein ruhiger Typ“, sagte Papa Greiss. Vielleicht aber war es just diese ruhige Art, die den Filius in der NHL lange auf den Durchbruch hat warten lassen.

Zwar lieferte der Allgäuer auch bei seinen vorherigen Clubs San Jose Sharks, Phoenix Coyotes und Pittsburgh Penguins stets verlässliche Leistungen ab. Als Nummer Zwei aber stand er überall im Schatten des Stammkeepers. Erst vor sechs Monaten schlug die große Stunde. Nach dem derben Fehlstart schickten die Islanders den Slowaken Jaroslav Halak in die Wüste.

Greiss erhielt das Vertrauen und einen ausschließlich auf die NHL bezogenen Vertrag bis 2020. Er hält wieder überragend — in den Netzwerken wird er als „Jesus Greiss“ gefeiert, die New Yorker singen „Greiss Greiss Baby“ in Anspielung auf den Song „Ice Ice Baby“ des Rappers Vanilla Ice aus den 1990ern. „Es hat gedauert. Schön, dass ich die Chance nun bekam. Ich denke, ich habe sie genutzt“, sagte Greiss junior.

Paul Greiss freut der Karriere-Sprung — allein schon aus pragmatischen Gründen. „Thomas musste ja langsam auch mal existenziell denken“, sagte der Papa angesichts der jährlichen Gehaltsaufstockung von 1,9 auf 3,1 Millionen Euro. Das Abo für den US-Sender der Eltern ist da sicher drin.