Eishockey Ein Abend mit dem Stadionsprecher der Krefeld Pinguine
Krefeld · Kristian Peters-Lach ist seit 15 Jahren Stadionsprecher beim KEV. Über einen Mann, der in unruhigen Wochen die richtigen Worte für die Fans findet.
Gegen Viertel vor zehn am Donnerstagabend ist es ein gebrauchter Tag im Leben des Stadionsprechers. Erst muss Kristian Peters-Lach zwei Zeitstrafen gegen die Pinguine durchsagen, dann den Werbepartner, der die letzten beiden Spielminuten präsentiert, und schließlich den Siegtreffer zum 5:4 für das Eishockey-Team aus Nürnberg. Die Schlusssirene ertönt und die Krefelder Fans brüllen „Schieber, Schieber“ in Richtung der Schiedsrichter. Peters-Lach schüttelt den Kopf. „Ätzend und so unnötig“, sagt der 39-Jährige.
So ärgerlich der verschenkte Sieg ist, so groß ist Peters-Lachs Leidenschaft für den KEV. Natürlich wird er am Freitag gegen Berlin die Anhänger wieder motivieren. So macht er es seit etwa 15 Jahren als Stimme der Pinguine – egal, wie groß die Rückschläge sind. Er sei eben Fan.
Als Moderator bei Welle Niederrhein bekam Peters-Lach den Job auf dem Eis. Mittlerweile arbeitet er als Pressesprecher beim Tiernahrungshändler Fressnapf. Ohne den Sport geht es weiterhin nicht. Und ohne Peters-Lach geht für Fans Eishockey in Krefeld nicht. Seine Ansprachen vor dem Spiel gelten als ausgefallener und einfühlsamer gegenüber dem Publikum als bei seinen Kollegen in anderen Arenen. Gerade in Wochen wie diesen, in denen sich viele um den Fortbestand des Erstligastandorts sorgen, ist Peters-Lach gefragt.
Drei Kreuzzeichen, dann geht Moderator Peters-Lach aufs Eis
Gut vier Stunden vor dem dramatischen Ende eilt Peters-Lach mit einem Rollköfferchen ins Eisstadion. Ein kurzer Plausch mit Ex-Spieler Herberts Vasiljevs. Schließlich kommt Peters-Lach an seinem Arbeitsplatz an, dieser schmalen Stuhlreihe gleich hinter dem Plexiglas am Eis. Hier sitzt er dicht gedrängt mit den Männern, die etwa die Uhr anhalten, die Strafbänke öffnen oder Statistiken führen. Gleich neben Peters-Lach arbeitet Stadion-DJ Stefan Volland. Mit den Jahren seien sie Freunde geworden, sagt Peters-Lach. Volland spricht von blindem Vertrauen. Das Duo weiß, wie es Stimmung in die Halle bringt. Dennoch sei er vor jedem Spiel angespannt, sagt Peters-Lach. „Das wichtigste ist, dass ich auf dem Eis nicht auf die Fresse fliege und mich nicht verspreche.“
In den Minuten bis zum Spiel erinnert Peters-Lach in seinem schwarzen Pinguine-Pullover an einen Boxer vor dem Kampf. Ein Mann im Wechsel zwischen Anspannung und Vorfreude. Peters-Lach liest sich die Aufstellungen beider Teams durch. „Ich schaue immer, ob ich alle Namen aussprechen kann.“ Noch ist Zeit bis zum Start. Peters-Lach greift sich einen Schläger und einen Puck, der hinter der Bande liegt. Abwechselnd mit seinen Mitstreitern am Spielfeldrand schießt er die Scheibe auf blaue Hütchen auf dem Gang hinter ihnen. Immer wieder scheppert der Puck gegen die grauen Wände. Peters-Lach lacht und freut sich. „Manchmal spinnen wir ein bisschen“, sagt er. Eishockey hat er selber nie gespielt, nur ein wenig Skaterhockey.
Das Spiel in den Gängen der Arena geht ein paar Minuten, bis das Licht in der Halle dunkler wird und das Vorprogramm startet. Für Peters-Lach beginnt das Ritual. Zu „You’ll Never Walk Alone“ klatscht er DJ Volland ab, danach stellt er sich ins Törchen am Eis. Peters-Lach blickt in die dunkle Halle, die Fans singen. Der Moderator geht immer wieder in die Knie, es folgen drei Kreuzzeichen.
Nun schreitet Peters-Lach aufs Eis. „Hallo Krefeld“, ruft er in die Kurve. „Hallo Kristian“, hallt es zurück. Darauf hin gibt es typische Peters-Lach-Worte zur Situation des Clubs. Er hoffe auf eine Einigung zur Zukunft des Vereins auf der anstehenden Gesellschafterversammlung, sagt Peters-Lach. In Richtung der Fans ruft er: „Bitte gebt euch selber mal nen Applaus. Ohne euch wäre das hier nicht möglich.“ Die Unterstützer singen „Schwarz und Gelb ein Leben lang“ und Peters-Lach entgegnet: „So sieht es aus“. Plötzlich ist Leben in der spärlich gefüllten Halle. Die Worte habe er sich spontan überlegt, sagt Peters-Lach später. Es sei eben ein Donnerstagabend, viele im Publikum müde von der Arbeit. Darauf wollte er reagieren. Er sehe sich als Sprachrohr der Anhänger.
Peters-Lach ist einer, der oft die richtigen Worte findet, auch abseits des Sports. Wer seinen Namen im Internet sucht, findet ein Video einer Ansprache auf dem Eis, die hunderttausende Menschen angeklickt haben. Es ist das KEV-Heimspiel nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016. „Eishockey steht für Miteinander und Toleranz“, sagt er. „Wir tragen verschiedene Trikots, aber haben die gleichen Werte.“ Es sind Sätze, die Peters-Lach nicht nur Applaus der Zuhörer einbrachten, sondern Zuspruch von Menschen im ganzen Land.
Ärger über die Schiedsrichter muss der Sprecher verbergen
An diesem Abend ist es klassische Eishockey-Kost. Das erste Drittel zieht sich. Peters-Lach macht Dinge, die Stadionsprecher so machen: Etwa Werbepartner und Geburtstagsgrüße durchsagen. Die erste Strafzeit für die Nürnberger macht Peters-Lach Hoffnung. Er prognostiziert seinen Nebenmännern ein Tor für den KEV. So kommt es, 1:0. Die Offiziellen jubeln, die Musik in der Arena ertönt. Nach wenigen Sekunden müssen sie wieder in den Arbeitsmodus umschalten. Die Männer für die Statistik notieren alle relevanten Informationen und Peters-Lach macht seine Durchsage. Er durchleidet das Spiel, auch wenn das Mikrofon aus ist. Mal ruft er „Der ist heiß“, nach dem ersten Gegentor raunt er „Fuck“.
Mit der ersten Drittelpause beginnt eine Choreografie, die genau auf die 18 Minuten abgestimmt ist. Peters-Lach eilt in den Vorraum der Halle. Dort moderiert er das Fan TV, das in der Pause auf der Videowand erscheint. Eine Vertreterin der Aids-Hilfe stellt ihr Projekt vor. Peters-Lach lehnt neben ihr locker am Stehtisch und fragt ganz ruhig nach. Der Profi kann rasch vom impulsiven Fan zum Schwiegersohn wechseln. In der verbleibenden Zeit gibt es eine Zigarette vor der Tür, ein Fleischwurstbrötchen auf die Hand und schon muss er zurück an den Platz.
Eine der wichtigsten Aufgaben während des Spiels: Der Kontakt zu den Schiedsrichtern. Wenn sie Strafen geben, fährt einer von ihnen an den Sprechertisch. Über einen Kopfhörer bekommt Peters-Lach die Strafe und die Begründung durchgesagt. Das gibt er ans Publikum weiter. Klar schimpfe er als Fan mal, sagt Peters-Lach. „Aber wenn die Schiris kommen, diskutierst du nicht. Die sind auf uns angewiesen und umgekehrt.“
Auf dem Eis sieht Peters-Lach das Hin und Her bis zum 4:4. Mal brüllt er nach einem Krefelder Doppelschlag „Ja, Baby“ ins Mikrofon, mal blickt er nach dem Gegentor entnervt auf sein Handy. Es folgt das finale Drama. Die zwei Zeitstrafen, das entscheidende Gegentor, Peters-Lachs Kommentar „ätzend“. Dann packt er seine Tasche und schon verschwindet er in die Nacht. Natürlich wird er wiederkommen: Mit neuer Motivation für seinen KEV.