Eishockey NRWs Eishockey-Clubs hängen am Tropf
Bei der DEG und den Kölner Haien sieht es finanziell nicht gut aus. Die zwei Eishockey-Clubs hatten bereits 2016 Verbindlichkeiten von fast 40 Millionen Euro.
Düsseldorf/Köln. In der kleinen Trainingshalle gleich neben der Kölnarena war am Freitag mächtig Betrieb. Das Eishockey-Team der Haie lud zum großen Aufschlag: Der renovierte Fanshop öffnete zum ersten Mal seine Türen, die neue Mannschaft stellte sich beim Publikum vor, und dann trainierte da ein gewisser Leon Draisaitl von den Edmonton Oilers mit. 21 Jahre alt, gebürtiger Kölner und einer der größten Jungstars, die das internationale Eishockey zu bieten hat.
So mögen sie das in Köln, wo sie ja gern in Superlative verfallen, wenn es um die eigene Stadt und ihre Sportvereine geht. Seit Jahren gehen die Haie stets mit der Maßgabe aufs Eis, den neunten Meistertitel zu gewinnen. Dafür investieren sie immer neue Millionen. Und zwar so viele, dass sie mittlerweile Verbindlichkeiten in Höhe von fast 25 Millionen Euro angehäuft haben.
Eine Ausnahme sind sie damit keinesfalls. Im chronisch klammen Eishockey gehören Geldprobleme zum guten Ton: Allein die vier Erstligisten aus Nordrhein-Westfalen hatten vergangenes Jahr gemeinsam mehr als 46 Millionen Euro Verbindlichkeiten. Weitaus mehr, als die vier Clubs aus Köln, Düsseldorf, Krefeld und Iserlohn zusammen an Jahresetat zur Verfügung haben. Die Liga stört das offiziell nicht, die Lizenz für die neue Saison haben alle vier erhalten.
Überraschen kann das Alfons Madeja nicht: Er vermisse die Konzepte, sagt der Professor für Sportmanagement, der das hiesige Eishockey seit Jahren untersucht. „Das beginnt mit einem klar definierten Ziel: Wo will ich in einem, in drei, in fünf Jahren sein? Wo sind die Konzepte von Liga und Vereinen?“ Statt diese „transparent auf einem Papier“ zu fixieren, lebe man „im deutschen Eishockey von der Gegenwart ohne die Zukunft zu definieren. Das ist schade, Eishockey ist ein wunderbarer Sport.“
Das sehen hunderttausende Fans genauso, die jedes Jahr in die Eishallen pilgern und sich die Spiele im TV (Sport 1) oder im Internet (Telekom) ansehen. Trotzdem reichen die Einnahmen hinten und vorne nicht. Auch in NRW. Während sich die Verbindlichkeiten in Krefeld (3,5 Millionen Euro) und Iserlohn (1,8 Millionen Euro) noch in Grenzen halten, scheinen die Großclubs aus Düsseldorf und Köln Fässer ohne Boden zu sein.
Das geht aus den Bilanzen hervor, die die DEL-Clubs — allesamt von ihren Stammvereinen ausgelagerte Kapitalgesellschaften — mit einem Jahr Verzug im Bundesanzeiger veröffentlichen. Da sich die aktuellsten Zahlen also auf die Saison 2015/2016 beziehen, darf davon ausgegangen werden, dass die jetzige Zahl noch höher liegt — im Fall der DEG tut sie das nach Informationen dieser Zeitung ganz sicher.
Aber selbst die 15 ,2 Millionen Euro, die im Bundesanzeiger für den 30. April 2016 als Verbindlichkeiten ausgewiesen werden, sind besorgniserregend. Zumal der Großteil erst in den vergangenen Jahren angehäuft wurde, nach dem Ausstieg des Groß- und Namenssponsors Metro: Betrugen die Verbindlichkeiten der DEG nach der Eishockey-Saison 2010/2011 lediglich 1,8 Millionen Euro, wuchsen sie über 5,2 Millionen Euro (2013/2014) und 8,9 Millionen Euro (2014/2015) bis zum Frühjahr 2016 auf 15,2 Millionen Euro an.
Möglich macht das der jährliche Fehlbetrag von mehreren Millionen Euro, in der aktuellsten Bilanz liegt der allein bei der DEG im Bereich von 4,7 Millionen Euro. Anderswo kann der auch noch höher ausfallen. Ausgeglichen wird er dann Jahr für Jahr von den Gesellschaftern, von Unternehmen wie Red Bull (München), VW (Wolfsburg) und SAP (Mannheim) oder reichen Privatpersonen wie Frank Gotthardt (Köln) oder Peter und Stephan Hoberg (Düsseldorf).
Im Gegensatz zur vorherrschenden Meinung sind all die Millionen, die in den vergangenen Jahren in die alten Rivalen DEG und KEC geflossen sind, Darlehen, die theoretisch zurückgezahlt werden müssen. Das mag manchen Fan überraschen, waren sie doch davon ausgegangen, dass ihre Mäzene das Geld verschenkt hätten. Doch aus den Bilanzen von 2016 geht hervor, dass die DEG — zusätzlich zu mehreren Millionen Euro gestundete Mietschulden bei der Stadt für Eishallen und Geschäftsräume — bei ihren Gesellschaftern mit mehr als zehn Millionen in der Kreide steht, bei den Haien sind es gar 24 Millionen Euro. Da kann es kaum überraschen, dass es in einem Papier einer renommierten Firma für Wirtschaftsauskünfte über die Kölner heißt: „Die Bilanz zum 30.04. weist eine zahlenmäßige Überschuldung der Gesellschaft aus.” Über die DEG heißt es in dem unserer Redaktion vorliegenden Papier: „Kredite erfordern Sicherheiten. Eine Geschäftsverbindung ist Ermessenssache.“
Wer mit Leuten spricht, die sich im Kölner Eishockey bestens auskennen, lernt trotzdem schnell, dass das in der Domstadt niemanden nervös macht. Dass der Koblenzer Frank Gotthardt, der mit seinem Softwareunternehmen hunderte Millionen Euro verdient hat, sein Geld irgendwann zurückhaben will, glaube niemand. Zudem hat er seine Außenstände bei den Kölner Haien mit einem so genannten Rangrücktritt versehen, er verzichtet also (vorerst) auf eine Rückzahlung.
Die Angst vieler Kölner Eishockey-Freunde ist eher, dass er irgendwann die Lust verliert, wenn sich sein zusammengekauftes Star-Ensemble weiter so ungeschickt anstellt wie zuletzt, als es sang- und klanglos im Viertelfinale gegen Wolfsburg ausschied. Ob Gotthardt im Laufe der Saison noch mal tief in die Tasche griff und NHL-Spieler sowie Nationalmannschaftskapitän Christian Ehrhoff nach Köln holte.
In Düsseldorf sieht das ähnlich aus. Auch dort hängt das Wohl des Vereins an einem Mann. War es in den ersten Jahren nach dem Metro-Ausstieg vor allem Peter Hoberg, der den Verein durch immer neue Zahlungen rettete, hat diese Rolle nun sein Bruder übernommen, der Stahlunternehmer Stephan Hoberg.
Was Gotthardt und Hoberg eint: Offiziell halten sie sich als stille Geldgeber im Hintergrund auf. Doch dieses Frühjahr zeigten sie ein anderes Gesicht: Es waren die beiden Mäzene, die nach enttäuschenden Saisons Machtworte sprachen und Leute entließen. Bei den Haien musste Geschäftsführer Peter Schönberger gehen, bei der DEG gar die Vereinslegende Christof Kreutzer, der Trainer und Manager war.
Nicht zuletzt diese Personalentscheidungen haben gezeigt: DEG und Haie sind komplett abhängig von ihren Gönnern. Im Zweifel entscheiden sie, was passiert. Und ob es langfristig überhaupt weitergeht. Steigen sie aus, gehen bei den Clubs die Lichter aus. Sie wären nicht die ersten im deutschen Eishockey.