Wiedergutmachungs-Tour: Russland-Stars WM-Topfavorit
Minsk (dpa) - Kurz und bündig fiel die Antwort von Coach Oleg Znarok zum Erfolgsrezept der russischen Eishockey-Cracks aus. „Wir haben ein Siegerteam geschaffen - das ist das Geheimnis“, erklärte der 51-Jährige und vergaß zu lächeln, obwohl er dazu bei der Eishockey-WM in Minsk allen Grund hätte.
Vier Spiele, vier Siege, 22:5 Tore - das russische Starensemble um Alexander Owetschkin hat sich bei seiner Wiedergutmachungs-Tour für das Viertelfinal-Aus in Sotschi revanchiert und als WM-Topfavorit herauskristallisiert. „Sie haben wirklich sehr stark gespielt“, gestand der US-Coach Peter Laviolette nach dem deprimierenden 1:6 seiner Truppe in der ersten WM-Woche ein. Einige seiner Trainerkollegen mussten das ebenfalls bereits einsehen. Der Rekordweltmeister fertigte auch Vize-Weltmeister Schweiz und Außenseiter Kasachstan ab, als knappstes Ergebnis ließ er ein 4:2 gegen den Olympia-Dritten Finnland zu.
Motivation ziehen die Russen auch aus ihrer Schmach von Sotschi. Gerade bei den Heim-Winterspielen hatten Präsident Wladimir Putin und die Fans nichts anderes als Gold erwartet, das Viertelfinal-Aus kränkte die Nation. Coach Sinetula Biljaletdinow musste seinen Posten räumen, der unter deutschen Eishockey-Kennern bekannte Znarok kam.
Als der Trainer noch Profi war, scheiterte ein NHL-Vertrag in Boston an seinen mangelnden Englisch-Kenntnissen. So stürmte Znarok für die zweitklassigen Clubs in Landsberg, Freiburg und Heilbronn. „Und ich hätte sehr viel arbeiten müssen, um in der DEL zu spielen. Darauf hatte ich damals keine Lust mehr“, erzählte er den „Eishockey News“. Lust hatte er aber auf einen der begehrtesten Jobs im Eishockey.
„Gold bei der Weltmeisterschaft - ein anderes Ziel kann es für eine russische Nationalmannschaft gar nicht geben“, gab Znarok als Devise aus. Nach dem Sieg über die USA rief ihn der Kremlchef persönlich an. „Das ist ein großartiger Erfolg - aber die Hauptaufgaben kommen noch“, sagte Putin dem Moskauer Fernsehsender NTV zufolge.
Ende März übernahm Znarok die Sbornaja und schaffte es trotz der kurzen Zeit, aus den Stars ein homogenes Team zu formen. „Die Rolle von allen ist sehr groß, sogar von denen, die nicht spielen“, stellte der 26-jährige Viktor Tichonow fest. „Wir versuchen, eine gute Team-Atmosphäre zu schaffen und sicherzustellen, dass jedermanns Stimme gehört wird.“ In der Minsk-Arena ist zudem die Begeisterung zu spüren, wenn die Zuschauer den 26-maligen Weltmeister lautstark unterstützen. „Es fühlt sich wie zu Hause an. Es ist wie ein sechster Spieler“, sagte Tichonow.
Der Stürmer führte mit vier Toren und fünf Assists zur Halbzeit aller WM-Partien ein russisches Trio an der Spitze der Scorerliste an. Tichonow stand damit noch vor NHL-Superstar Owetschkin von den Washington Capitals und Sergej Plotnikow. Schon gegen Deutschland am Sonntag (19.45 Uhr/Sport1) könnte noch ein weiterer Ausnahmekönner über das Eis kurven. Der in der NHL ausgeschiedene Stürmerstar Jewgeni Malkin reist - im Gegensatz zu Marcel Goc - aus Pittsburgh an.