Machtkampf während WM: Tritt Reindl gegen Harnos an?
Hannover (dpa) - Uwe Harnos schweigt. Der umstrittene Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) will sich erst nach der derzeit laufenden Weltmeisterschaft in Minsk zum Aufstand der Proficlubs gegen ihn äußern.
„Jetzt sollte der Sport im Mittelpunkt stehen“, findet der 53-Jährige und sorgt damit für Kopfschütteln in der Szene. Charly Fliegauf, Geschäftsführer des EHC Wolfsburg aus der Deutschen Eishockey Liga (DEL), wirft Harnos vor, selbst den „Sport als Bühne benutzt“ zu haben: „Eigentlich sehr schade.“ Am 5. Mai - vier Tage vor WM-Beginn - verkündete Harnos seine erneute Kandidatur als DEB-Präsident, die er sich lange offen gehalten hatte und stieß damit die Diskussion um die Zukunft des Verbandes und ihn selbst neu an.
Den DEB-Sportdirektor Pat Cortina ließ Harnos ein unkonkretes Konzept vortragen, obwohl Cortina in seinem Zusatzamt als Bundestrainer im WM-Stress war. „Ich war auch total überrascht und auch etwas enttäuscht, dass so ein Thema vor dem einzigen Saisonhöhepunkt, der der Nationalmannschaft nach der verpassten Olympia-Qualifikation noch geblieben ist, thematisiert wird“, sagt Fliegauf.
Der 53 Jahre alte Ex-Profi hat Einfluss. Er bildet zusammen mit seinen Managerkollegen Christian Winkler (München) und Peter-John Lee (Berlin) sowie Eishockey-Idol Erich Kühnhackl das sogenannte Kompetenzteam, das Cortina rund um das Nationalteam unterstützt. Vor allem eine Personalie aber provozierte der Aufstand fast aller Proficlubs: Das endgültige Aus im DEB für Franz Reindl. Der bisherige Generalsekretär zieht sich Ende Juni entnervt zurück und will sich ganz auf die Organisation der nächsten Heim-WM 2017 konzentrieren.
„Franz hat über Jahre hervorragend für das deutsche Eishockey gearbeitet. Ich war sehr überrascht und auch traurig, dass er auf einmal nicht mehr da ist“, sagt Lee, und Fliegauf bezeichnet es als „großen Rückschritt, dass die jahrzehntelange Sportkompetenz eines Mannes wie Franz Reindl im DEB plötzlich gar keine Beachtung mehr finden soll“. Ex-Nationalspieler Reindl, der 1976 Olympia-Bronze gewann, ist national wie international hoch angesehen.
Mit Harnos aber kam es bereits vor geraumer Zeit zum Bruch. Reindl wurde 2011 als Sportdirektor entmachtet und war seitdem nur noch Generalsekretär. Im selben Jahr wechselte auch der damalige Bundestrainer Uwe Krupp zu den Kölner Haien in die DEL. Seitdem, so halten die Kritiker Harnos vor, gehe es sportlich mit dem Nationalteam bergab. Nach der verpassten Olympia-Qualifikation im vergangenen Jahr hagelte es Rücktrittsforderungen. Harnos saß diese aus und sagte: „Sich einen Schuldigen zu suchen, ist einfach.“
Nun aber kommen die weiteren Vorwürfe wieder auf den Tisch: ein schlechtes Verhältnis zu den Erst- und Zweitligisten, Finanzprobleme im Verband und zu viele Grabenkämpfe. „Da weiß die rechte Hand nicht, was die linke tut“, wird der Chef des mächtigen Bayerischen Eissport-Verbandes, Dieter Hillebrand, in der „Sport Bild“ zitiert.
Im Juli wählen die Landesverbände zusammen mit den in den DEB-Ligen organisierten Clubs einen neuen Präsidenten. Harnos steht wieder zur Wahl. „Wir haben doch keinen anderen. Es kommt nichts besseres nach“, meint Hillebrand. Doch die Clubs aus DEL und DEL2 - bei der Wahl nicht stimmberechtigt - versuchen nun, Reindl als Kandidaten schmackhaft zu machen. „Es gibt keine qualifiziertere Person für diese verantwortungsvolle Position. Franz Reindl wäre als Präsident ein Glücksfall“, meint etwa Krupp, und Fliegauf findet: „Ich sehe ehrlich gesagt aktuell auch niemanden anderen, der das, was man für ein solches Amt benötigt, in fast idealer Weise mitbringt.“
Davon sollen nun auch die Verbände überzeugt werden, die anscheinend mangels Alternativen bislang klar hinter Harnos stehen. Reindl fühlt sich vom „riesigen Zuspruch“ zwar geehrt und ist einer Kandidatur auch nicht abgeneigt, dürfte aber nur antreten, wenn sich auch die Verbände mit ihm anfreunden können. „Es wird entscheidend sein, was die nächsten drei, vier Wochen passiert“, sagt Lee.