WM-Viertelfinale fast verspielt - Fehlt Routine?
Minsk (dpa) - Bundestrainer Pat Cortina stand etwas ratlos da und war sich im ersten Moment nicht sicher, worum es ging. Das deutsche Wort Routine schien ihm nicht gleich ein Begriff zu sein.
„Was bedeutet das?“, fragte der Italo-Kanadier nach dem unglücklichen 2:3 bei der Eishockey-WM in Minsk gegen die Schweiz und zog das englische Wort „experience“ (Erfahrung) heran. Als er ein Nicken als Antwort erhielt, erklärte der Coach: „Ich denke nicht. Es ist nicht die Erfahrung. In den ersten beiden Spielen war Enthusiasmus unsere Waffe, und nun sagen wir, wir haben nicht genug Erfahrung?“
Bei der Weltmeisterschaft baut Cortina auf ein auffallend junges Team. Hoffnung hatte die aufstrebende Truppe mit Riesentalent Leon Drasaitl und den schnellen AHL-Profis Marcel Noebels und Tobias Rieder mit den Siegen über die Kasachen und Letten geweckt. Doch nach dem ernüchternden 0:4 gegen die Finnen und dem 2:3 am Mittwoch gegen die Schweiz ist die Chance auf das erste Viertelfinale seit drei Jahren fast schon wieder verspielt. „Natürlich war das eine große Chance“, meinte Stürmer Alexander Barta nach der Schweiz-Pleite.
Es drängt sich die Frage auf, ob Cortina mit seinen Entscheidungen immer richtig lag. Klar fehle es an Führungskraft, hatte Cortina vor WM-Beginn angesichts vieler Absagen noch eingeräumt, aber gehofft: „Das ist jetzt die Gelegenheit für Leute wie Marcus Kink, Kai Hospelt, Alex Barta und auch Frank Hördler, in die Bresche zu springen und diese Rolle zu übernehmen.“ Routiniers wie den Kölner John Tripp oder Thomas Greilinger und Patrick Köppchen vom DEL-Meister Ingolstadt hatte der Coach aber bewusst zu Hause gelassen. Nach der langen Finalserie und einer Saison mit Verletzungen traute er ihnen kein kräfteraubendes Turnier mehr zu.
Ihre Kaltschnäuzigkeit hätte das Team aber womöglich bereichert. Nur der vierfache Torschütze Thomas Oppenheimer vollstreckte bislang eiskalt. Gerade gegen die zuvor noch punktlosen Schweizer scheiterte die DEB-Auswahl an ihrer Abschlussschwäche. „Weil es sehr schwierig ist, bei einer Weltmeisterschaft Tore zu erzielen“, befand Cortina. „Wer schießt denn die Tore? Es sind die Top 4, Top 5, Top 6 der Welt - und das sind wir nicht.“ Fehler erlaubt Cortina seiner jungen Auswahl, auch wenn er als einen Makel ausmachte: „Wir versuchen zu viel, wir wollen zu viel - das hat uns Ärger eingebracht.“
Am Samstag gegen den Gastgeber Weißrussland (15.45 Uhr/Sport1) muss das deutsche Team unbedingt gewinnen, wenn es das Viertelfinale nicht endgültig abhaken will. Die schier übermächtigen Russen und die USA zum Abschluss dürften eine Nummer zu groß sein. Das Hoffen auf eine Anreise des in der NHL ausgeschiedenen Marcel Goc aus Pittsburgh hat sich vor den verbleibenden Partien zerschlagen. Von seiner Fußverletzung habe sich der Stürmer noch nicht vollständig erholt und sei noch in Club-Aktivitäten eingebunden, erklärte Cortina.
Es bleibt also dabei, dass dieses Jahr kein Profi aus der besten Liga der Welt das Team verstärkt. „Die Jungs, die hier sind, übernehmen vielleicht ein bisschen mehr Verantwortung“, hatte Cortina gehofft. Im richtungsweisenden Spiel gegen die Schweiz hatte der 49-Jährige auch damit überrascht, auf der Torhüterposition am Berliner Rob Zepp festzuhalten, der erst 24 Stunden zuvor gegen Finnland vier Gegentore kassierte. Der gegen Lettland bärenstarke junge AHL-Goalie Philipp Grubauer aber stand gar nicht im Aufgebot. „Routine. Erfahrung“, antwortete Cortina auf die Frage nach dem Warum.