Fohlemelf verliert gegen Wolfsburg Gladbachs verlorene Leichtigkeit

Mönchengladbach. · Die Fohlenelf kann zum dritten Mal in Folge nicht gewinnen. Das Punkte-Polster für einen Platz in der Champions League schmilzt.

Gladbachs Florian Neuhaus reagiert nach einer seiner vergebenen Chancen.

Foto: dpa/Federico Gambarini

„Tor für die Borussia.“ Mit diesen in sonorer Art ausgesprochenen vier Worten ist Rolf Göttel berühmt geworden. Von 1962 bis 1992 war Göttel der Stadionsprecher von Borussia Mönchengladbach. Bei mehr als 750 Spielen saß er in seiner kleinen Kabine unter dem Tribünendach des Bökelbergstadions am Mikrofon. Göttel ist ein Stück Vereinsgeschichte. Bis heute werden seine für alle Gladbach-Fans wohl wichtigsten Worte nach einem Treffer der „Fohlenelf“ im Borussia-Park als Ton-Aufnahme und gleich in dreifacher Wiederholung eingespielt.

Am vergangenen Donnerstag ist Rolf Göttel 75 Jahre alt geworden, vor dem Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg am Samstag würdigte ihn sein aktueller Nachfolger Torsten Knippertz. Doch ausgerechnet an diesem Tag blieb der Lautsprecher stumm. Nach zwölf Heimsiegen am Stück musste die Mannschaft von Trainer Dieter Hecking trotz zahlreicher Chancen die zweite Niederlage in Folge hinnehmen. „Wenn wir ein Tor machen, dann wird das sicherlich ein anderes Spiel“, sagte Hecking.

Das hätte es vor zwei Wochen auch gegen Hertha BSC Berlin werden können, am Ende hieß es jedoch ebenso 0:3 wie nun gegen Wolfsburg. Wer von den 48 041 Zuschauern bei beiden Spielen im Stadion war, der muss sich wie in einer Zeitschleife gefühlt haben – nur dass der Gegner dieses Mal in grünen statt in blauen Trikots antrat. Erneut agierte Gladbach überlegen und kam zu etlichen Chancen, wieder führte der erste Angriff des Gastes zum 0:1. Ginter (8.) und Neuhaus (22.) scheiterten knapp, Neuhaus traf nur die Latte (26.) und eine Minute später köpfte Knoche dann einen zu lässigen Abschluss von der Linie.

„Wir haben eine gute erste Halbzeit gespielt und hatten genug Gelegenheiten, in Führung zu gehen. Ich ärgere mich, dass ich der Mannschaft bei meinen drei Möglichkeiten nicht helfen konnte. Die letzte muss ich definitiv verwerten“, sagte Florian Neuhaus. Borussias an diesem Nachmittag einzig wirklich guter Spieler war Weltmeister Christoph Kramer. Der Solinger hatte diesmal auf der „Sechs“ den Vorzug gegenüber Tobias Strobl bekommen und analysierte knapp wie treffend: „Lange Zeit haben wir Tore aus dem Nichts erzielt. Jetzt machen wir trotz großer Dominanz keine.“

Eine Dominanz, die nach dem 0:1 durch den in Würselen bei Aachen geborenen Yannick Gerhardt (38.) nur noch optischer Natur war. Zwar hatte die Fohlenelf auch nach der Pause mehr Ballbesitz, ihrem Spiel aber fehlte es nun an Tempo, Passschärfe und Geradlinigkeit. In vielen Aktionen wurde hektisch, unpräzise und überaus kompliziert agiert, dazu unterliefen der bis vor zwei Wochen noch so sattelfesten Abwehr gravierende Patzer. So gingen dem jeweils von Admir Mehmedi erzielten 2:0 und 3:0 (68./83.) zuvor nicht gesehene Stellungsfehler von Nico Elvedi und Oscar Wendt voraus.

Die Angst, etwas verlieren zu können, scheint zu groß

„Das zweite und dritte Gegentor darf einer guten Mannschaft nicht passieren. Die dabei gemachten Fehler werden wir ganz klar ansprechen“, meinte Trainer Dieter Hecking. Ganz offenbar hat die Mannschaft ihre Leichtigkeit verloren, seit die Qualifikation zur Champions League in greifbare Nähe gerückt ist und sie von einigen Experten sogar als lachender Dritter im Kampf um die Meisterschaft gesehen wurde. Plötzlich scheint die Angst, etwas verlieren zu können, wie eine schwere Hypothek auf den Schultern der Spieler zu lasten. Statt Unbekümmertheit und Souveränität gibt es Nervosität und Verkrampfung.

Bestes Beispiel für die fehlende Lockerheit war gegen Wolfsburg Thorgan Hazard. Der Belgier hätte mit dem möglichen 1:2 in der 75. Minute der Partie noch eine spannende Schlussphase bescheren können, scheiterte jedoch freistehend aus kurzer Entfernung recht kläglich am prächtig parierenden Torhüter Koen Casteels. Generell haben Borussias Angreifer seit einiger Zeit Ladehemmung. Hazard wartet seit dem 18. Dezember auf ein Tor, Lars Stindl sogar seit dem 25. November und auch Alassane Pléa traf in den jüngsten zwölf Spielen lediglich zweimal.

In den vergangenen zehn Begegnungen gab es zudem nur zwei Treffer vor der Pause. Dabei sind genau die in der jetzigen Phase der Saison wichtig, um den Druck an den Gegner abzugeben. „Eine Führung würde uns natürlich gut tun“, meinte Lars Stindl. Sie würde ganz sicher auch Rolf Göttel gefallen. Der war übrigens in der Halbzeit sogar für Werbung zuständig. „Ob Norden, Süden, Osten, Westen – Heppos Frauen sind die Besten“, hieß es da zum Beispiel. Ein Werbe-Spruch, der aus verständlichem Grund nicht mehr zu hören ist.