Jubel, Tränen, Frust Forster stoppt Schaffelhuber bei Paralympics
Pyeongchang (dpa) - Anna Schaffelhuber zeigte in der Niederlage Größe, Anna-Lena Forster wollte am liebsten die ganze Welt umarmen und Andrea Rothfuss kämpfte trotzig mit ihren Tränen: Der vierte Wettkampf-Tag der Paralympics in Pyeongchang war für die deutschen Athletinnen ein hochemotionaler.
Fahnenträgerin Andrea Eskau holte Gold im Biathlon, doch vor allem auf der Skipiste überschlugen sich die Ereignisse. Zunächst verschenkte Rothfuss das sicher geglaubte Gold in der Super-Kombi der stehenden Athletinnen und konnte ihren Ärger kaum verbergen. Dann beendete die zunächst hypernervöse und später überglückliche Teamkollegin Forster die fast schon unheimliche Siegesserie Schaffelhubers in der Super-Kombi der Monoskifahrerinnen.
„Nach dem Super-G habe ich nur geheult, weil ich so unzufrieden war. Vor dem Start heute war mir dann kotzübel, so nervös war ich“, sagte die 22 Jahre alte Forster nach ihrem ersten Paralympics-Gold: „Ich bin froh, dass ich Anna mal schlagen und etwas aus ihrem Schatten treten konnte.“ Schaffelhuber nahm die Niederlage sportlich und gratulierte fair. „Anna-Lena hat es absolut verdient. Von ihr fällt sicher viel ab jetzt. Ich suche mir nicht aus, wer vor mir steht, aber ich freue mich, dass es die Teamkollegin war.“
Derweil siegte Eskau im stolzen Sportler-Alter von 46 Jahren über zehn Kilometer. Die Magdeburgerin hat nun bei fünf verschiedenen Paralympics insgesamt sieben Siege errungen. Die sehbehinderte Clara Klug gewann über dieselbe Distanz Bronze.
Damit holte der Deutsche Behindertensportverband am Dienstag fünf Medaillen - so viele wie an den ersten drei Tagen zusammen. Alle zehn bisherigen Medaillen holten übrigens Frauen, die deutschen Männer gingen bisher wie schon während der gesamten Spiele 2014 in Sotschi leer aus.
Zunächst sah es auch so aus, als könne Schaffelhuber weiter zuverlässig Gold liefern. Nach dem Super-G führte die 28-Jährige die Konkurrenz an. Doch dann nahm Forster ihr Herz in die Hand und der siebenmaligen Paralympics-Siegerin im Slalom gleich viereinhalb Sekunden ab. Die Aufforderung ihrer Familie auf einem Tribünen-Plakat („Leni Go! Lebe deinen Traum!“) hatte sie damit erfüllt.
„Ja, damit ist definitiv ein Traum wahr geworden. Und das in einer Disziplin, in der ich es nicht erwartet hätte“, sagte die Schwäbin, die von Geburt an im Rollstuhl sitzt: „Ich habe schon damit gerechnet, dass ich noch eine Medaille gewinnen kann. Aber niemals damit, dass es noch ein Gold werden könnte.“ Nach dem Sieg habe ihr Schaffelhuber sofort herzlich gratuliert, berichtete Forster: „Wir sind ja auch befreundet.“
Aus den Freundinnen sind durch Forsters Leistungssteigerung aber auch Konkurrentinnen geworden. In Pyeongchang werden noch zwei Duelle folgen. Im letzten, am Sonntag im Slalom, sieht Schaffelhuber Forster als klare Favoritin: „Das ist sie aber nicht erst seit heute.“ Chef de Mission Karl Quade bestätigte: „Anna-Lena hat sich großartig entwickelt. In den technischen Disziplinen ist sie aktuell stärker.“
Dagegen musste sich Rothfuss mit dem dritten Silber begnügen, obwohl sie nach dem Super-G führte und ihre Dauer-Rivalin Marie Bochet (Frankreich) bereits ausgeschieden war. „Ich denke, mit etwas Abstand wird es sich gut anfühlen“, sagte die 28-Jährige: “Aber im Moment kann ich mich noch nicht so richtig freuen.“ Winter-Rekordsieger Gerd Schönfelder, heute Co-Trainer des Nationalteams, haderte: „Das war eine Riesenchance zu Gold, ein echter Elfmeter.“
Eskau war am Dienstag nicht die Favoritin, doch die Fahnenträgerin eilte allen davon. „Ich bin sehr stolz, ich bin eine alte Frau“, sagte die 46-Jährige lachend. „Es ist echt verrückt.“ Ihr Alter war dann eher ein Vorteil, denn die Diplom-Pyschologin spielte ihre ganze Erfahrung aus: „Ich war überhaupt nicht aufgeregt und das ist halt mein großer Vorteil.“
Der Präsident des Deutschen Behindertensportverbands Friedhelm Julius Beucher war begeistert. „Das ist unbeschreiblich“, sagte er. „Ich habe bei jedem der 30 letzten Stockschläge gebrüllt.“
Klug überraschte mit Bronze sich selbst. „Ich habe im Ziel hundertmal gefragt, ob das wirklich stimmt, dass ich eine Medaille habe“, sagte sie. „Ich habe es noch gar nicht richtig realisiert.“