Beachsoccer Sizilianischer Sand statt rheinischer Rasen
Neuss. · Der Neusser David Hoeveler ist Profi in einem Sport, der ihm viel ermöglicht hat, in Deutschland aber bislang noch wenig Anerkennung findet: Beachsoccer.
An dieses eine Länderspiel erinnert sich David Hoeveler genau. Italien gegen Deutschland, Spielort Catania auf Sizilien. Gefühlte 40 Grad Celsius sind es an diesem Abend im August 2019. 4000 bis 5000 Zuschauer seien gekommen, sagt Hoeveler. Inbrünstig schmettern die Italiener ihre Hymne. „Da bekommt man schon mal Gänsehaut“, sagt Hoeveler heute.
So präsent dem 25-Jährigen die Begegnung ist, so fern dürfte die Schilderung fast allen Sportfans erscheinen. Zwar war ein Ball im Spiel. Männer haben ihn sogar mit ihren Füßen in Richtung Tor getreten. Doch sie spielten nicht auf Rasen, sondern auf Sand – Beachsoccer heißt die Disziplin. So ein Länderspiel interessiert in Deutschland kaum jemanden. Ein ähnliches Schicksal erlebt auch die heimische Topliga. Beachsoccer und Deutschland? Diese Beziehung hatte nur ein kurzes Hoch. Zur WM 2014 konnten die Fernsehsender kaum genug Bilder von schlenzenden Jungs am Strand der Copacabana zeigen. Brasilien, das Land der Zauberfüße, die überall Wunderdinge mit dem Ball anstellen.
Der Neusser Hoeveler beweist: Jungs, die mit dem Ball im Sand zaubern, gibt es auch in Deutschland – nur eben fast unbeachtet. Hoeveler will das verändern. Er möchte Beachsoccer aus der Nische holen und Rahmenbedingungen für Topspieler professionalisieren. Sein Wunsch: Fußballfans hierzulande sollen auch mal vom Rasen auf den Sand schauen. Sollte die Pandemie regulär Spiele zulassen am besten schon ab diesem Frühjahr.
Erst klassischer Fußball,
dann doch Beach Soccer
David Hoeveler war selbst lange im klassischen Fußball zuhause. Für den SV Uedesheim spielte er in der Landesliga. Eine Verletzung stoppte ihn: Mittelfußbruch und Bänderriss. In der Reha begann er, auch im Sand zu laufen. Ein Freund sprach ihn an, ob er nicht mal Lust habe, auf Sand zu kicken? Hoeveler probierte es aus, fand Gefallen und startete beim Erstligisten Beach Royals Düsseldorf.
Der Sport, den Hoeveler kennenlernte, basiert auf der Grundidee des klassischen Fußballs und ist doch ganz anders. Das Feld ist kleiner, gespielt wird fünf gegen fünf und barfuß. Ein guter Fußballer sei nicht automatisch ein Beachsoccer-Talent, meint Hoeveler. Es geht mehr um Technik, ums Dribbling im eins gegen eins. Der gute Pass fliegt durch die Luft und holpert nicht über das unebene Geläuf. Durch ständige, kurze Sprints ist das Spiel intensiver. Verschnaufpausen auf dem Platz gibt es nicht, dafür aber einen fliegenden Wechsel im Spiel. Hoeveler rät Fans, mal bei einem Turnier vorbeizuschauen. Für schöne Fallrückzieher braucht es dann keine Klaus-Fischer-Aufnahmen aus dem Archiv. Solche Aktionen gebe es fast in jedem Spiel, sagt Hoeveler. Insgesamt würden mehr Tore fallen. Turniertage seien Events mit Partyatmosphäre von morgens bis abends.
Im Ausland ist der Sport wesentlich gefragter
In Deutschland finden die Spieltage der Liga gebündelt an einem Ort statt. Hoeveler hat auch das Ausland im Blick: Italien, Spanien oder auch Russland – dort sei Beachsoccer wesentlich gefragter. Sponsoren und Zuschauer sind da, genau wie das Geld des Fernsehens. „Dort können die Spieler vom Sport leben“, sagt Hoeveler. Russische Teams lassen gar Brasilianer einfliegen, wenn es in Moskau und St. Petersburg über die 20 Grad geht. In Deutschland gibt es diese Finanzkraft hinter dem Sport nicht. Hoeveler arbeitet neben der Sportleidenschaft auf der Baustelle. „Steine von A nach B schleppen“, sagt er. Zusätzlich studiert er Sportmanagement. Der Tag ist so von morgens bis abends voll. Noch geht das. Ob er nicht mit Ende 20, Anfang 30 doch auf einen Hauptberuf setzen sollte, weiß Hoeveler noch nicht. Er wünscht sich, dass mehr Sponsoren beim deutschen Beachsoccer einsteigen. So recht versteht er nicht, warum Geldgeber bei Oberligisten im klassischen Fußball ein paar hundert Euro Gehalt für Spieler möglich machen. Die dümpeln für den Werbeträger dann durch die Region. Bei erfolgreichen Beachsoccer-Teams sei eine Präsenz in ganz Europa drin, sagt Hoeveler. In der Champions League seiner Disziplin spielten die Beach Royals unter anderem gegen die Vertretung von Sporting Lissabon. „Mit wenigen Mitteln lässt sich beim Beachsoccer viel mehr erreichen“, sagt Hoeveler.
Vom lukrativen europäischen Geschäft kann er zumindest ein wenig profitieren. Denn: Spieler sind in einem Jahr nicht an eine Mannschaft gebunden. Sie können für verschiedene Turniere und Ligen wild durch Europa wechseln. So spielte Hoeveler im vergangenen Jahr in Ungarn. Ein Engagement in Italien scheiterte nur an der Pandemie. Rumkommen, neue Länder kennenlernen – das sei ein Vorteil am Beachsoccer. Die Teams finden sich schnell zusammen. Das sei einfacher als bei elf Leuten auf dem Rasen.
Auch der Nachwuchs soll vom Beachsoccer profitieren
Um den Sport hierzulande weiterzuentwickeln, sieht Hoeveler verschiedene Ansatzpunkte. In Ländern wie Portugal präsentiert der Fußballverband Beachsoccer auf seinen Social-Media-Kanälen genau wie den Fußball auf dem Rasen. Beim DFB muss sich die Beachsoccer-Abteilung auf einem eigenen Instagram-Kanal vermarkten, genau wie die U-Mannschaften. Zudem komme es darauf an, das Gespräch zu suchen, sagt Hoeveler. Er will Fußballvereine beispielsweise überzeugen, den Nachwuchs auch Beachsoccer oder die Hallenvariante Futsal ausprobieren zu lassen. So bestehe zumindest die Chance, andere Arten des Spiels kennenzulernen. Hoeveler selbst möchte beim klassischen Fußballverein ein paar Einheiten im Sand anbieten, wenn es wieder möglich ist.
Womöglich ist der Weg zu mehr Aufmerksamkeit für seinen Sport durch die Pandemie noch länger geworden. Denn erstmal müsste auch David Hoeveler selbst wieder vernünftig mit der Mannschaft trainieren können. Aktuell bleibt es bei Einzeleinheiten mit dem Athletikcoach.