Nationalelf-Debakel 0:3-Pleite - Warum Deutschland gegen die Niederlande unterging
Amsterdam · Der Neustart der deutschen Nationalelf ist nach dem WM-Debakel missglückt. Jogi Löws Team erlebt eine 0:3-Demütigung gegen die Niederlande. Zwei wesentliche Erkenntnisse können aus der deutschen Pleite gezogen werden.
Das sind die Erkenntnisse aus der deutschen Pleite gegen die Niederlande.
Moment des Spiels
Die Nations League mag nicht den besten Ruf genießen, weil die UEFA sich wegen jedes weiteren Wettbewerbs der Geldmacherei verdächtig macht. Aber: Es kommen unter Wettbewerbsbedingungen ganz unterhaltsame Spiele dabei heraus, die allemal besser sind als manch müder Testkick der Vergangenheit.
Durchaus aggressive Niederländer, durchaus bemühte Deutsche, die beide gewinnen wollten, am Ende ein 3:0 in einem sehenswerten Spiel. Zwei wesentliche Erkenntnisse: Die Niederländer sind dabei, eine bessere Generation auf die Beine zu stellen, als es die letzte war.
Jungstars wie Frenkie de Jong, Memphis Depay oder Matthijs de Ligt gehört die Zukunft, eine starke Abwehr ist der Grundstock eines überfallartigen Konterspiels. Durchaus sehenswert. Beide Teasms agieren längst wieder auf Augenhöhe - und das ist auch auf einen echten Abfall im DFB-Team zurückzuführen.
Tore des Spiels
Liverpools eisenharter Innenverteidiger Virgil van Dijk beendete ein fürchterliches Verwirrspiel von Manuel Neuer: Der deutsche Kapitän verschätzte sich beim Eckball von Memphis Depay völlig, wollte zunächst raus, brach dann ab: Ryan Babel gewann so das Kopfballduell mit Jonas Hector, der Ball schlug gegen die Latte, van Dijk staubte per Kopf ab (30.).
Das 2:0 erzielte der überragende Memphis Depay (87.) von Olympique Lyon nach einem Konter über Arnaut Groeneveld, als Deutschland eigentlich auf den Ausgleich gedrängt hatte. Die Begeisterung in Amsterdam war grenzenlos, das 3:0 von Georginio Wijnaldum folgte (90.) zu allem Unglück gleich auch noch.
Debüt des Spiels
Mark Uth hat zwar in sieben Spielen für den FC Schalke erst einen Treffer erzielt, trotzdem schenkte ihm Bundestrainer Joachim Löw in Amsterdam durchaus überraschend das Vertrauen für den Platz in der Sturmmitte, in der so sehnlichst ein deutscher Vollbluttorjäger benötigt wird.
Vielleicht auch, weil Uths Karriere nach Kölner Tagen von Tristesse eben genau in den Niederlanden richtig Fahrt aufnahm: In Almelo und Heerenveen traf der Neu-Schalker einst am Fließband und führte das in Hoffenheim spiel- und abschlussstark fort. Setzte sich in Amsterdam durchaus in Szene, fleißig, gut im Anlaufpressing, verlor aber dann schnell an Wirkung, als die DFB-Elf das Spiel aus der Hand gab und musste später raus für Julian Brandt.
Frust des Tages
Könnte Leroy Sane geschoben haben. Das mit Löw und Sane funktioniert irgendwie nicht richtig. Bei der EM 2016 Kurzarbeiter ohne Rückenstärkung, vor der WM 2018 ausgemustert und dabei auch ein bisschen gedemütigt.
Am Samstag war der Offensive von Manchester City als Startspieler erwartet worden, musste aber Timo Werner weichen, der aus der Sturmmitte von Uth weitergeschoben wurde - und landete so auf der harten Ersatzbank. Kam dann später und vergab in der 64. Minute nach Zuckerpass von Joshua Kimmich eine 100-Prozent-Chance. Danach: Viel Wirbel, mancher Fehlpass, Engagement, aber auch nichts Effizientes.
Rettungsaktion des Tages
Kam von Matthias Ginter: Die Gastgeber feierten noch ihr Tor zum 1:0, da klärte der Mönchengladbacher drei Minuten später mit einer Minimalberührung am langen Pfosten vor dem zweifelsfrei einschussbereiten Ex-Hoffenheimer Ryan Babel, der heute bei Besiktas Istanbul spielt - Ginter holte sich dafür eine Respektbekundung von Manuel Neuer ab.
Sorgenkind des Spiels
Ist tatsächlich Jerome Boateng. Das hatte man ja einige Jahre gar nicht für möglich gehalten, als aus dem einst ungestümen Boateng Mister Zuverlässig geworden war. Aber jetzt ist er nicht mehr ungestüm und zuverlässig ist er auch nicht: Der deutsche Abwehrmann wirkt unfit, ist nicht mehr umsichtig und spielt in Vielzahl Fehlpässe im Aufbauspiel. Beim 3:0 nur noch Fahnenstange und Statist in einem. Braucht eine Pause. Schon in Frankreich?
Fragen des Tages
Musste sich Bundestrainer Joachim Löw nach dem Spiel stellen lassen. Ein 0:3 in den Niederlanden und eine befürchtete weitere Niederlage in Frankreich am Dienstag (20.45 Uhr) könnten die Stimmung gegen Löw weiter anheizen. Das deutsche Spiel war bemüht, aber über weite Strecken auch völlig einfallslos in der vordersten Reihe.
Vor allem den Raum vor dem 16-Meter-Raum, den die Niederländer überraschend oft überließen, nutzte kaum ein deutscher Spieler mal mit einem schnellen Vorstoß in die Lücke. Stattdessen blieben die stürmenden Außen Werner und Müller ohne technisch sehenswerten und überraschenden Moment, sind dort inzwischen Fehlbesetzungen. Der Druck auf den Bundestrainer steigt gewaltig, ruhig wird es in dieser Woche sicher nicht werden.
Gänsehaut des Tages
Die bereiteten 52000 Zuschauer in Amsterdam ihren alternden Helden Rafael van der Vaart und Dick Kuyt nach dem Spiel, als die vom gut gelaunten Publikum in einer abgedunkelten Arena mit Einspielfilmen herzlich verabschiedet wurden. 109 Spiele für van der Vaart, 104 für Kuyt, von dem van der Vaart mal sagte: „Ich hätte am Beginn seiner Karriere nicht gedacht, dass der auch nur ein Länderspiel machen wird.“