Fast ein Weltwunder: Eintracht wieder erstklassig
Braunschweig (dpa) - „Die schönste Zeit“, über die der Braunschweiger Songwriter und Fußball-Fan Bosse rückblickend singt, beginnt für viele Eintracht-Anhänger erst jetzt. Sie können sich auf Bayern München, den BVB und den Erzrivalen Hannover 96 freuen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit von fast drei Jahrzehnten kehrt das Gründungsmitglied der Bundesliga in die Beletage zurück. „Das grenzt fast an ein Weltwunder“, bewertete Eintracht-Trainer Torsten Lieberknecht den umjubelten Aufstieg, den vor der Saison kaum ein Experte für möglich gehalten hatte.
Das A-Wort hatte der Erfolgscoach bis zum 1:0 beim FC Ingolstadt nicht in den Mund genommen. Doch als das „Fast-Weltwunder“ geschehen war, brachen bei ihm wie bei seiner Mannschaft alle Dämme. Sogar die Moderatoren des TV-Senders Sky waren vor den Sektduschen der Spieler nicht mehr sicher.
„Heute ist ein Riesentraum für uns und ganz Braunschweig in Erfüllung gegangen. Es ist ein unglaublicher Tag“, sagte Lieberknecht bei Sky. Nach dem Schlusspfiff standen dem 39-Jährigen Tränen in den Augen. „Das ist ein unbeschreibliches Gefühl. Und es werden nicht die letzten Tränen sein.“ Torjäger Domi Kumbela schrie in das Mikrofon: „28 Jahre sind genug. Wir sind wieder zurück.“ In Braunschweig, Hannover und Wolfsburg sind damit demnächst erstmals drei Vereine aus Niedersachsen in der Bundesliga vertreten.
Der Kader, der nun die Bundesliga-Rückkehr perfekt machte, spielte fast exakt in der selben Zusammensetzung vor zwei Jahren noch in der dritten Liga. Lieberknechts charakterstarke Mannschaft, eine Ansammlung von überwiegend Durchschnittsspielern, die Überdurchschnittliches leisten, belehrte selbst die Skeptiker in den eigenen Reihen eines Besseren.
„Die lokale Meinung war immer, dass wir das mit dem Kader nicht schaffen, dann haben wir es gepackt und sind aufgestiegen von der 3. in die 2. Liga. In dieser Saison hat uns jeder eine ganz schwere Saison prophezeit, jetzt läuft es in die komplett andere Richtung“, sagte Lieberknecht.
Dabei stand der deutsche Meister von 1967 noch vor fünf Jahren vor dem erstmaligen Absturz in die Viertklassigkeit. Lange Zeit zehrte der Traditionsclub nur von Erfolgen der Vergangenheit, litt unter Missmanagement und verschliss sogar fünf Trainer in einer Saison.
Doch Lieberknecht, der zuvor auch als Spieler für die Eintracht tätig war, legte dank einer ziemlich perfekten Transferpolitik den Schalter um. 2011 gelang der Sprung in die 2. Liga. Seitdem wurden gerade einmal 50 000 Euro in Ablösesummen investiert. „70 Prozent der Spieler, die damals den Aufstieg schafften, sind immer noch dabei“, stellte der Coach stolz fest.
Neben dem gebürtigen Pfälzer sind der Sportliche Leiter Marc Arnold, Clubchef Sebastian Ebel und Geschäftsführer Soeren Oliver Voigt die Architekten der Bundesliga-Rückkehr. Das Quartett arbeitet seit 2008 zusammen und führte den Verein in eine stabile Zukunft.
Dabei konnte die Eintracht-Führung auch immer auf die gewaltige Euphorie in der vielleicht fußball-verrücktesten Stadt Norddeutschlands bauen. In Braunschweig wurde auch zu Drittliga-Zeiten Fußball gelebt. Der Sensationstitel von 1967 unter Trainer Helmuth Johannsen und das Europapokal-Aus gegen Juventus Turin im Entscheidungsspiel in Bern sind bis heute Kult.
Immer wieder lieferte die Eintracht Schlagzeilen. 1973 führte der Verein mit Hilfe des Sponsors Günter Mast die Trikotwerbung in der Bundesliga ein. Der Spirituosenfabrikant wurde später Präsident und holte Paul Breitner nach Braunschweig. Der Tod des DDR-Flüchtlings und Eintracht-Profis Lutz Eigendorf im Jahr 1983 ist bis heute nicht restlos aufgeklärt. Vor der neuen Zeit in der Bundesliga ist den Braunschweigern nicht bange. „Wir wollen uns, wenn wir da drin sind, als sehr unbequem zeigen“, kündigte Trainer Lieberknecht an.