Rettig mit Teillob Schock nach Chaoten-Attacke in Kiel gegen St. Pauli
Kiel (dpa) - Ein Gemisch aus Wut, Bestürzung und Ratlosigkeit war die vorherrschende Gemütslage in Kiel am Tag nach den Ausschreitungen beim Nordderby.
Es hätte nicht viel gefehlt, und das Spiel in der 2. Fußball-Bundesliga zwischen Holstein Kiel und dem FC St. Pauli (0:1) im Holstein-Stadion wäre abgebrochen worden, bevor es überhaupt begonnen hatte.
Etwa 25 bis 30 vermummte Chaoten waren rund 20 Minuten vor dem Anpfiff über den Zaun im Kieler Fan-Block geklettert, rannten von einem Tor zum anderen quer über den Rasen und rissen vom gegenüberliegenden Zaun der St.-Pauli-Fankurve ein Banner ab. Dabei lieferte sie sich Jagdszenen mit Sicherheitskräften.
„Diese Leute haben in unserem Stadion nichts zu suchen. Wir werden Konsequenzen ergreifen. Auch Stadionverbote sind ein Mittel“, sagte Holstein Kiels Geschäftsführer Wolfgang Schwenke. Die Polizei sichtet derzeit das umfangreiche Videomaterial. DFB und DFL leiten gegen Holstein Kiel ein Ermittlungsverfahren ein.
Derartige Krawallszenen sind nicht neu. Neu ist aber, dass Spieler eingreifen und Täter stellen. Einige Profis des FC St. Pauli, die sich auf dem Platz aufwärmten, versperrten den Chaoten den Weg und verfolgten sie. Torwarttrainer Mathias Hain und Co-Trainer Patrick Glöckner rangen Vermummte zu Boden und übergaben sie den Polizisten, die einige Minuten später in die Arena einrückten. Stürmer Sami Allagui entriss dem Dieb das geraubte Banner und brachte es den Hamburger Fans zurück.
„Unsere Spieler haben sich großer Gefahr ausgesetzt. Ich schwanke etwas, den Spielern und dem Funktionsteam ein vollumfängliches Lob auszusprechen“, sagte St. Paulis Geschäftsführer Andreas Rettig. „Wäre ein Spieler verletzt worden, wäre das Spiel ein Fall für den grünen Tisch gewesen. Gott sei Dank ist nichts passiert.“ Rettig dankte den Hamburger Fans: „Sie haben besonnen, gut und richtig reagiert und sich nicht auf eine weitere Eskalation eingelassen.“
Über die schockierende Szenen wollten sich die Spieler nicht äußern. Dazu waren sie von den Führungen beider Vereine vergattert worden. „Wir konzentrieren uns auf das Sportliche und äußern uns nicht zu anderen Sachen“, sagte St.-Pauli-Abwehrspieler Christopher Avevor. Dafür nahm sein Trainer Stellung. „Es ist sehr traurig, dass so etwas passiert, dass Menschen, die nicht ins Stadion gehören, den Fußball als Bühne nutzen“, betonte Olaf Janßen.
Die Ausschreitungen, so wird vermutet, sind eine Vergeltungsaktion für einen Vorfall am vergangenen Freitag. Das wurde eine Gruppe der Kieler Ultras, die zum Auswärtsspiel nach Aue gereist waren, bei ihrer Ankunft in Kiel von Vermummten überfallen. Dabei soll eine Fahne geraubt worden sein. Die Angreifer sind angeblich und grüchteweise St.-Pauli-Ultras gewesen. Belegt ist es nicht.