1860 München Sportrechtler zu Ismaik-Klage: Geringe Erfolgsaussicht
München (dpa) - Mit der 50+1-Regel ist Thomas Summerer bestens vertraut. Der auf Sportrecht spezialisierte Rechtsanwalt in München war Chefjustiziar der Deutschen Fußball Liga (DFL). Summerer vertrat die DFL 2010, als Hannover 96 mit einer Schiedsklage die 50+1-Regel abschaffen wollte.
Hasan Ismaik greift nun als Investor von 1860 München nach mehr Macht und will gegen besagte Regelung vorgehen. „Eine solche Klage auf Aufhebung der 50+1-Regel hat meines Erachtens keine oder allenfalls geringe Aussicht auf Erfolg“, sagte Summerer der Deutschen Presse-Agentur im Interview.
Herr Summerer, hat Ismaik eigentlich einen Klagegrund?
Thomas Summerer: Man braucht immer einen Klagegrund. Die 50+1-Regel gilt allerdings nicht nur in der ersten und zweiten Bundesliga, sondern auch in der dritten Liga und der Regionalliga. Sollte 1860 wieder die Kurve kriegen und auch aufsteigen, hat ein Investor ein Interesse, dass vorher Rechtssicherheit besteht, ob er weiterhin nur unter 50 Prozent Stimmenanteil oder eine Stimmenmehrheit haben darf. Dieses Interesse ist ein rechtlich beachtliches Interesse, so dass meines Erachtens eine Klagebefugnis besteht.
Müsste Ismaik nach möglichen Aufstiegen des TSV 1860 jedes Mal aufs Neue eine entsprechende Klage anstrengen?
Summerer: Das hängt davon ab, welche Art von Klage er einreicht, beispielsweise eine Feststellungsklage. Das würde bedeuten, dass man ein Rechtsverhältnis feststellen lässt, ob es zulässig oder unzulässig ist. Ein Investor würde vermutlich die 50+1-Regel generell angreifen, wie sie in den Bundesligen, aber auch in der dritten und den vierten Ligen gilt, so dass es vorstellbar ist, dass eine Klage genügt.
Welche Aussicht auf Erfolg hätte Ismaik aus Ihrer Sicht?
Summerer: Eine solche Klage auf Aufhebung der 50+1-Regel hat meines Erachtens keine oder allenfalls geringe Aussicht auf Erfolg, denn wir hatten ja schon einen vergleichbaren Fall. Es gab eine Schiedsklage von Hannover 96 im Januar 2010, in der Hannover 96 sich ebenfalls zum Ziel gesetzt hatte, die 50+1-Regel der Bundesliga zu kippen. Hannover 96 hat mit diesem Klagebegehren keinen Erfolg gehabt, sondern nur erreicht, dass eine Gleichbehandlung stattfindet zwischen Hannover 96, dem VfL Wolfsburg und Bayer Leverkusen. Mit anderen Worten: Wenn ein Verein 20 Jahre lang ideell und materiell gefördert wird, dann kann es Ausnahmen von der 50+1-Regel geben, die im Ermessen der DFL liegen.
Wie wurde das Urteil damals begründet?
Summerer: Das Schiedsgericht hat damals in seiner Pressemitteilung vom 30. August 2011 einen interessanten Fingerzeig gegeben: 'Das Schiedsgericht ist der Auffassung, dass bei summarischer Prüfung nach dem gegenwärtigen Stand der Beratung Zweifel am Erfolg des ursprünglich gegen die 50+1-Regelung gerichteten Klagebegehrens bestehen. Es gibt gewichtige Gründe für die Annahme, dass der Ligaverband mit der 50+1-Regelung von seinen satzungsrechtlichen Befugnissen einen Gebrauch gemacht hat, der mit dem deutschen Recht und dem europäischen Gemeinschaftsrecht im Einklang steht.' Diese zwei Sätze finden sich sinngemäß auch im Schiedsurteil wieder und sind meiner Ansicht nach unverändert gültig. Deshalb räume ich einer erneuten Klage keine oder nur geringe Erfolgsaussichten ein.
Diese 50+1-Regel gibt es so nur in Deutschland. Widerspricht sie nicht europäischem Recht?
Summerer: Es wird immer wieder von Anwälten behauptet, die der Investorenseite gewogen sind, dass hier das europäische Kartellrecht betroffen sei. Kartellrecht heißt, dass ein Verband seine Monopolstellung nicht missbrauchen darf. Dieser Vorwurf geht meines Erachtens ins Leere, denn hier liegt kein Missbrauch vor. Der DFB und die DFL haben gewichtige Gründe, warum sie keine Stimmenmehrheit eines Investors zulassen.
Welche Gründe sind das?
Summerer: Es gibt anerkennenswerte Ziele der 50+1-Regel. Sie soll die Konkurrenzfähigkeit, die Stabilität der Clubs gewährleisten. Sie soll verhindern, dass ein Club zum Spielball eines Investors wird, der vielleicht heute viel investiert, sich morgen aber zurückzieht, was den Verein destabilisieren und vielleicht an den Rand der Insolvenz bringen würde. Man will auch vermeiden, dass zu stark in die Integrität des Wettbewerbs eingegriffen wird, beispielsweise durch Geldwäsche. Es geht auch um Glaubwürdigkeit und Fanakzeptanz. Das Publikum muss sich darauf verlassen können, dass sportliche Parameter das Spielgeschehen bestimmen und nicht unbedingt nur Geld. Die 50+1-Regel stellt zudem sicher, dass es nicht zu einer Stallorder-Strategie kommt, gerade wenn ein Investor bei mehreren Clubs einsteigt.
Die „Löwen“ haben einen Interims-Geschäftsführer, der Experte in der Krisen- und Insolvenzberatung ist. Es gibt Spekulationen, wonach der Verein durch eine Insolvenz Ismaik loswerden wollen könnte.
Summerer: Das ist ein schwieriges Thema, aber nicht von der Hand zu weisen. Durch eine Insolvenz kann man lästige Gläubiger loswerden, weil die Gläubiger beispielsweise bei einem Planinsolvenzverfahren abgefunden werden würden und möglicherweise viel Geld verlieren können.
ZUR PERSON: Thomas Summerer ist ein auf Sportrecht spezialisierter Rechtsanwalt in München. Er arbeitet für die Kanzler Nachmann. Zudem ist Summerer Vorsitzender der AG Sportrecht im Deutschen Anwaltverein. Er war Chefjustiziar der Deutschen Fußball Liga.