St. Pauli: Vorwürfe an Polizei und Lübeck-Fans
Hamburg (dpa) - Fußball-Zweitligist FC St. Pauli sieht die Schuld für die Krawalle beim Hamburger Hallenturnier bei den Organisatoren und den Sicherheitskräften.
„Wir sind der Ansicht, dass durch massive handwerkliche Fehler der Polizei und der Veranstalter die Auseinandersetzungen verursacht worden sind“, sagte St. Paulis Sicherheitschef Sven Brux in Hamburg bei einer Pressekonferenz. Es habe sich „mitnichten - wie kolportiert - um eine Auseinandersetzung von zwei rivalisierenden Fangruppen gehandelt. Es war ein Angriff auf die St.-Pauli-Fans“, meinte Brux weiter.
Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) verteidigte die Sicherheitskräfte vor Kritik. Auch die Polizei selbst wehrte sich gegen die Vorwürfe des Hamburger Clubs. Die Situation vor Ort sei höchst chaotisch gewesen, wie man an den Bildern erkenne, sagte Senator Neumann am Montag im Gespräch mit dem NDR 90,3. Er habe viel Respekt vor dem Einsatz der Polizei. „Die Polizei war nicht der Ausgangspunkt dieser Krawalle. Sondern der Ausgangspunkt waren angebliche Fans von Fußballvereinen“, betonte der Innensenator.
Am Montagmittag hatte St. Paulis Sicherheitschef Brux in einem 15-minütigen Monolog die am Wochenende gesammelten Erkenntnisse des Zweitligisten dargelegt. Gewaltbereite Anhänger des Regionalligisten VfB Lübeck in schwarzen Shirts mit der Aufschrift „Krawallbande“ oder „Krawallbrüder“ hätten die Konfrontation gesucht, ehe die Lage eskalierte. „Offensichtlich hat die Polizei die Lübecker Fans machen lassen. Ob bewusst, kann ich nicht sagen“, erklärte Brux. Dass danach ein Teil der St.-Pauli-Fans „überreagiert hat, das verurteilen wir“.
Der Leiter der Polizeipressestelle, Mirko Streiber, wies die Vorwürfe zurück. „Kriminelle Fans“ beider Vereine hätten sich in der Halle gegenseitig provoziert und die Konfrontation gesucht, auch Ordner seien angegriffen worden, sagte Streiber der Nachrichtenagentur dpa.
Die Polizei habe eingreifen und Schlagstöcke einsetzen müssen, um Schlimmeres zu verhindern. Es sei bedauerlich, dass auch Unbeteiligte bei dem Einsatz in Mitleidenschaft gezogen wurden. Wenn die Lage in der Halle aber weiter eskaliert wäre, dann wären möglicherweise sehr viel mehr Unbeteiligte betroffen gewesen. Vor der Halle seien Beamte dann von „kriminellen Fans“ des St Pauli gezielt angriffen und mit Flaschen und Steinen beworfen worden, sagte er.
Streiber kündigte an, die Polizei werde die Vorfälle kritisch aufarbeiten und suche dafür auch die Mitarbeit der Bevölkerung. So sei Filmmaterial willkommen, um Straftaten aufzuklären.
St. Paulis Präsident Stefan Orth forderte eine lückenlose Aufklärung und bat, Ursache und Wirkung nicht zu verwechseln: „Ich verurteile jede Form von Gewalt, stehe aber schützend vor meinem Verein und unseren Fans.“ Die St. Paulianer seien angegriffen worden und hätten anfangs quasi in Notwehr gehandelt. „Teile unserer Fans haben sich zum Schluss über Gebühr falsch verhalten. Dass wir eine kleine Zahl von gewalttätigen Fans haben, verurteile ich“, betonte Orth. Und fügte überzeugt hinzu: „Wir haben aber kein Fan-Problem.“
Neutrale Beobachter sehen das aber anders. Zumindest der gute Ruf des aufstrebenden Kiezclubs ist in Gefahr. Zwar sei nie in der 101-jährigen Club-Geschichte das Image „so gigantisch gut“ gewesen, dennoch „kann man kann schon sagen, dass wir einen gewissen Imageschaden erleiden“, meinte Teammanager Christian Bönig.
Sechs Fälle in 14 Monaten werfen ein schlechtes Licht auf den Szeneclub. Oft handelte es sich um Verfehlungen Einzelner. Anders bei den schweren Krawallen am Freitag, wo laut Polizei 230 gewaltbereite St.-Pauli-Ultras und 100 Rivalen vom VfB Lübeck aufeinandertrafen. St. Pauli selbst beziffert die Gruppe der Chaoten lediglich auf 30 bis 40. Brux und Orth kündigten an, nun alles daran zu setzen, diese Leute vom großen friedlichen Anhang zu isolieren.
90 verletzte Zuschauer und Polizisten sowie zwei fest- und 74 in Gewahrsam genommene Chaoten waren das traurige Ergebnis des abgebrochenen Turniers in der Sporthalle Hamburg. Mitorganisator Peter Sander hatte von „organisierter Kriminalität“ gesprochen „mit Leuten aus Lübeck, Rostock, Bremen und Hamburg. Ihre Randale richtete sich ganz klar gegen St. Pauli“, sagte Sander der „Bild“ (Montag).