Provokation St. Pauli will Werksclubs von TV-Vermarktung ausschließen
Berlin (dpa) - Zweitligist FC St. Pauli hat mit einem provokanten Antrag zu den TV-Rechten für Unruhe im Lager der Fußball-Bundesliga gesorgt.
Nach Informationen des Fachmagazins „Kicker“ forderte der Kiez-Club in einem Schreiben an Ligapräsident Reinhard Rauball und Christian Seifert, den Chef der Deutschen Fußball Liga (DFL), dass bestimmte Vereine von der Verteilung der Einnahmen aus der Fernseh- und Gruppenvermarktung ausgeschlossen werden sollen.
Der Antrag richtet sich gegen alle Vereine, die sich aufgrund einer Ausnahmegenehmigung nicht an die sogenannte „50+1“-Regel über die Stimmenmehrheit bei deutschen Proficlubs halten müssen. Dies würde vor allem die Werksclubs Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg sowie 1899 Hoffenheim mit Mäzen Dietmar Hopp betreffen. Von 2017 an könnte auch Hannover 96 dazugehören.
Die betroffenen Vereine reagierten überrascht. Sie bedauerten den Vorstoß der Hamburger, „da es nicht im Sinne der großen Mehrzahl der deutschen Proficlubs sein kann, dass die Solidargemeinschaft und die Zentralvermarktung aufgegeben wird“, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme.
Bayer Leverkusens Geschäftsführer Michael Schade hält den Antrag für nicht durchsetzbar. „Der Antrag hat uns überrascht und ist nach unserem Verständnis nicht zulässig“, erklärte er in Köln vor dem Abflug des Bundesligisten zum Champions-League-Spiel bei BATE Borissow. „Alle profitieren von dieser Solidargemeinschaft und der Zentralvermarktung“, sagte Schade. „Wenn Vereine ausgeschlossen werden sollten, was ich nicht annehme, würden möglicher Weise auch noch andere Vereine ausscheiden.“ Gemeint ist damit unter anderen Branchenprimus Bayern München. „Ich bin davon enttäuscht und halte das für populistisch. Das ist ein typischer Rettig: Er macht ein bisschen auf Schweinchen schlau“, kommentierte Bayer-Sportchef Rudi Völler schmunzelnd.
„Wir sind der Auffassung, dass dieser Antrag gegen die Satzung verstößt“, sagte VfL-Geschäftsführer Wolfgang Hotze der Deutschen Presse-Agentur: „Wir würden das auch für eine schädliche Entwicklung halten.“ Ohnehin halte er den Antrag nicht für mehrheitsfähig. „Für die gesamte Bundesliga wäre dies eine schädliche Entwicklung, die die Grundwerte des Erfolgs des deutschen Profifußballs in Gefahr bringen würde“, warnte VfL-Manager Klaus Allofs.
„Der Antrag ist unüberlegt und substanzlos“, sagte 96-Präsident Martin Kind der „Bild“-Zeitung. „Wir denken, dass dieser Antrag nicht mehrheitsfähig sein wird. Sollte ihm stattgegeben werden, ist die Zentralvermarktung am Ende, dann würde es eine Einzelvermarktung geben.“
Über den wohl chancenlosen St. Pauli-Antrag soll auf der DFL- Mitgliederversammlung am 2. Dezember in Frankfurt/Main beraten werden. Der Dachverband wollte sich zu dem Vorgang am Montag nicht äußern. Pikant: St.-Pauli-Geschäftsführer Andreas Rettig war früher in gleicher Funktion bei der DFL tätig.
Die vier betroffenen Erstliga-Clubs hatten schon in einem gemeinsamen Schreiben an die DFL den Antrag „als unzulässig, hilfsweise als unbegründet einzuordnen“. Wörtlich heißt es: „Mit dem Antrag auf Ausschluss unserer Klubs von der satzungsgemäß geregelten Verteilung der Vermarktungserlöse erklärt der Antragsteller die Aufkündigung der Solidargemeinschaft in der Bundesliga und in der 2. Bundesliga.“
Eine Abrechnung „der Verteilung der TV-Erlöse rein marktwirtschaftlich, ausschließlich nach Nachfrage orientiert“, würde den Zweitligisten „erheblich geringere Erlöse“ bringen. Dafür käme eine Aufkündigung der Zentralvermarktung gerade großen Clubs entgegen. Branchenprimus Bayern München könnte mit einer eigenen Vermarktung deutlich höhere Erlöse generieren.
Bislang werden die Übertragungsrechte zentral von der DFL vermarktet. Der laufende Vierjahresvertrag mit einem Gesamtvolumen von 2,5 Milliarden Euro endet 2017. In dieser Saison verteilt die DFL aus der zentralen Vermarktung insgesamt 850 Millionen Euro, 170 Millionen davon (20 Prozent) gehen an die 2. Liga.