WM-Härtetest 22 Spiele ohne Niederlage: Deutschland spielt 1:1 gegen brillante Spanier

Das war ein richtiger WM-Probelauf. Gegen starke Spanier kommen die deutschen Fußball-Weltmeister nach einiger Anlaufzeit zurück ins Spiel und retten mit einem 1:1 ihre Serie von nun 22 Spielen ohne Niederlage. Als nächster Härtetest wartet Brasilien.

Torschütze Thomas Müller (M) von Deutschland jubelt mit Jonas Hector (l-r), Timo Werner, Toni Kroos und Mats Hummels über seinen Treffer zum 1:1.

Foto: Marius Becker

Düsseldorf. Bei der Europameisterschaft in Frankreich verlor die spanische Fußball-Nationalmannschaft im Achtelfinale gegen Italien mit 0:2 - seither blieb die Seleccion von Trainer Julen Lopetegui in 16 Spielen ohne Niederlage. Und es dauerte nicht lange, bin man in der mit 50653 Zuschauern voll besetzten Düsseldorfer Arena bei geschlossenem Dach und dadurch durchaus frühlingshaften Temperaturen eine Ahnung davon bekam, warum das so ist. Kurzpassspiel auf Weltklasse-Niveau, die Renaissance des Tiki Taka, alles nur noch ein wenig zielgerichteter als zu den größten Zeiten der spanischen Mannschaft in den Jahren zwischen 2008 und 2012 mit drei wichtigen Titeln, als man sich den Gegner bisweilen etwas zäh lang zurecht legte.

So viel Zeit bleibt in der neuen, schnellen Fußball-Welt nicht mehr. Und so viel Zeit brauchte Spanien auch nicht: Schon nach sechs Minuten düpierte der 34 Jahre alte spanische Zeremonienmeister Iniesta vom FC Barcelona mit einem feinen Pass Abwehrspieler Mats Hummels, der Spaniens Sturmspitze Rodrigo Moreno im Rücken etwas sorglos durchlaufen ließ. Der Stürmer vom FC Valencia vollendete an DFB-Torwart Marc André ter Stegen vorbei zur Führung für die Gäste.

In der Folge dominierten die Spanier das Spiel mit viel Ballbesitz, zeitweise mehr als 60 Prozent, mussten dann aber irgendwann wahrnehmen, dass Bundestrainer Joachim Löw in einem zumeist körperlosen Spiel der feinen Füße keine Statisten nominiert hatte, sondern mit seiner vermeintlich besten ersten Elf die Zuschauer in Düsseldorf unterhalten wollte. Und auch konnte. Allenfalls Ilkay Gündogan oder Leroy Sane dürften sich nach derzeitigem Stand Hoffnungen machen, in diese erste Elf zu rutschen, die irgendwann anfing, sich von spanischer Kunst nicht mehr nur vorführen zu lassen, sondern eigene Akzente zu setzen.

Freilich auf eine ganz andere Art. Mit vielen Angriffen über die Außenpositionen, mit plötzlichen Tempoverschärfungen, tatsächlich aber auch mit einem sehenswert trockenen Schuss des bis dahin unsichtbaren Thomas Müller: Nach einem Querpass von Sami Khedira erkannte der Münchener die entstandene Lücke und traf aus rund 20 Metern mit erstaunlicher Präzision in den Winkel, David de Gea im spanischen Tor Strecke sich vergeblich (35.).

Es wurde das qualitativ hochwertige Spiel des Weltmeisters von 2010 gegen den Weltmeister von 2014, das man sich anhand der enormen individuellen Qualität auf beiden Seiten erhofft hatte. Mit tollen Passstafetten und weiteren Chancen. Zu Beginn der zweiten Halbzeit vereitelte de Gea bei Schüssen von Julian Draxler und den für Khedira eingewechselten Ilkay Gündogan in hervorragender Manier die deutsche Führung, Mats Hummels köpfte noch dazu an die Latte und der bienenfleißige Timo Werner sammelte bei aller Schnelligkeit und von ihm ausgehenden Gefahr die Erkenntnis ein, den Kopf dann doch noch etwas öfter nach oben nehmen zu müssen.

Spanien beeindruckte lange in der Offensive, bis Iniesta und Isco von Real Madrid das Spielfeld verlassen hatten, die mit dem spielfreudigen David Jiménez Silva von Manchester City permanent ein fantastisches Passspiel aufzogen. Konsequenz: Isco scheiterte in seiner letzten Aktion nach einer Stafette aus kürzester Distanz am hervorragend reagierenden ter Stegen.

Klar wurde Freitagabend: Individuelle Fehler sind auf diesem Weltklasse-Niveau eine Seltenheit, passieren sie trotzdem - vor allem in der Vorwärtsbewegung - geht es schnell in die andere Richtung - und dann wird es stets gefährlich.

Auch die deutsche Elf hat das letzte Mal bei der EM verloren, auf das 0:2 gegen Frankreich im Halbfinale folgten bis Freitagabend 21 Spiele ohne Niederlage. Eine Serie, die gegen eine spanische Mannschaft auf dem Prüfstand stand, die spätestens seit Freitagabend wieder in den engsten Kreis der WM-Titelanwärter aufgenommen ist - wenn sie denn jemals überhaupt nicht dafür in Frage gekommen war.

Nach der Pause verwässerte das hochwertige Spiel, auch, weil vor allem Spanien sechs Mal wechselte. Auf deutscher Seite kamen zudem Gündogan, Sane, Goretzka und Gomez in die Partie. Am Ergebnis änderte das freilich nichts mehr. Beide Serien blieben erhalten. Der nächste Prüfstein ist am Dienstag Brasilien in Berlin.