Böse Erinnerungen für die Weltmeister
Berlin (dpa) - Die Ängste sind zurück, die Vorfreude der deutschen Fußball-Weltmeister auf die Länderspiel-Klassiker gegen England und Italien ist gleich zum Start der Vorbereitung getrübt worden.
Die Terroranschläge in Brüssel riefen bei Bundestrainer Joachim Löw und den Spielern bei der Zusammenkunft in Berlin die schlimmen Erinnerungen an die eigene Schreckensnacht beim Länderspiel im vergangenen November in Paris gegen EM-Gastgeber Frankreich wach.
Das Terror-Thema beeinträchtigt wieder die Konzentration auf die wichtigen Testspiele am Karsamstag gegen England sowie drei Tage später in München gegen Italien, auch wenn die Sicherheitslage an den heimischen Spielorten aktuell nicht als bedrohlich eingestuft wird. „Wir gehen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon aus, dass es irgendwelche Auswirkungen auf die Spiele haben wird“, sagte Löws Assistent Thomas Schneider zu den Anschlägen mit zahlreichen Toten in Belgien: „Unsere Gedanken sind bei den Opfern und Angehörigen.“
Das Gefühl der Unsicherheit ist kurz vor dem EM-Turnier zurück. „Ich glaube, jeder Mensch hat Angst“, sagte Weltmeister Shkodran Mustafi, ohne die Situation dramatisieren zu wollen: „Man muss lernen, mit dieser Angst umzugehen.“ Lukas Podolski, der sich gerade erst an seinem aktuellen Wohnort Istanbul mit Bombenanschlägen und einer Spielabsage seines Vereins Galatasaray konfrontiert sah, bemerkte zur allgegenwärtigen Terrorgefahr in weiten Teilen Europas: „Man kann sich nicht verstecken, man kann nicht sein ganzes Leben ändern.“
Die Sicherheitsmaßnahmen seien auch für die Mannschaft „hochgefahren worden“, berichtete Schneider. Sichtbar wurde das am Teamhotel durch erhöhte Polizeipräsenz. Zum ersten Training im Amateurstadion von Hertha wurde der Mannschaftsbus am Nachmittag von vier Polizeiwagen mit Blaulicht eskortiert. Auf dem Platz übten angeführt von Kapitän Bastian Schweinsteiger und Bayern-Bankdrücker Mario Götze nur 14 der 26 angereisten Akteure. Neben dem angeschlagen Trio Mesut Özil, Julian Draxler und Karim Bellarabi durften auch einige zuletzt sehr belastete Spieler im Teamhotel eine Regenerationseinheit einlegen.
Das Trainerteam um Löw hatte die verheerenden Nachrichten aus Brüssel mitten in der Trainingsplanung ereilt. „Wir werden uns natürlich als Sportliche Leitung zusammensetzen und überlegen, wie wir damit auf die Mannschaft zugehen“, kündigte Teammanager Oliver Bierhoff an.
Die Erinnerungen an das von Anschlägen mit 130 Toten überschattete Länderspiel am 13. November in Frankreich kam natürlich bei Spielern und Betreuern wieder hoch. „Wenn man selbst beteiligt war, weiß man, wie es den Leuten dort (in Brüssel) jetzt geht“, bemerkte Mustafi.
Die Nacht in Paris hatten die deutschen Spieler komplett im Stade de France verbringen müssen. Nach der eiligen Rückkehr nach Deutschland folgte wenige Tage später die Absage der Partie gegen die Niederlande, als sich die Mannschaft auf der Fahrt ins Stadion von Hannover befand. Galatasaray-Profi Podolski berichtete zudem über das aktuell unruhige Leben in der Türkei: „Das ist jetzt eine schwierige Situation.“
Löw und Bierhoff vertrauen - auch mit Blick auf die EM - den Maßnahmen der Sicherheitsbehörden. Der DFB wappnet sich, auch wenn nicht alles auszuschließen sei, wie Bierhoff meinte: „Aber man muss die besten Voraussetzungen schaffen, dass nichts passieren kann.“
Die Ereignisse von Brüssel stellten die sportlichen Brennpunkte beim Weltmeister zunächst in den Hintergrund. Die Streichung von Stürmer Max Kruse vom VfL Wolfsburg aus dem Aufgebot stellte Bierhoff noch einmal als unausweichlich dar. Die „Anhäufung der Geschichten“, für die der 28-Jährige abseits des Fußballplatzes gesorgt hatte, hätte die Sportliche Leitung „so nicht durchgehen lassen“ können.
„Deshalb muss man jetzt nicht den Stab über ihn brechen“, bemerkte Bierhoff zwar: „Aber es war nicht das Verhalten, das für einen Nationalspieler, der sich auf die EM vorbereitet, richtig war.“ Die Konzentration der EM-Kandidaten soll der Arbeit auf dem Platz gelten, nicht Nachtschwärmereien. Gegen England und Italien können sich die Akteure, darunter der Leverkusener Neuling Jonathan Tah, letztmals bei Bundestrainer Löw für ihr persönliches EM-Ticket empfehlen.
„Es ist einfach ein guter Startschuss Richtung EM-Vorbereitung“, sagte Bierhoff. Trotz Brüssel soll spätestens an Ostern Fußball wieder Freude machen und Lust auf den Sommer wecken. „Wir wollen natürlich nochmal Hunger machen auf die Mannschaft, auf das Turnier“, sagte Bierhoff: „Wir wollen gut in das neue Jahr starten.“