Borussia Dortmund: Der verbissene Verein

Dortmunds Spieler legen sich mit den Fans an, der Trainer irgendwie mit allen. Die Stimmung ist schlecht, aber warum eigentlich? Eine Analyse.

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Düsseldorf. Offenbar hatten sie sich für eine ordentliche Rüge verabredet. Das Spiel gegen Zenit St. Petersburg war 1:2 verloren gegangen, dank des 4:2 im Hinspiel hatte Borussia Dortmund trotzdem das Viertelfinale der Champions League erreicht. Der Erfolg aber wirkte nicht für sich, der Rausch beim Publikum jenseits der Südtribüne blieb aus. Es wurde gestöhnt und gehadert, wenn den Lieblingen da unten der Ball versprang. Und das missfiel denen gehörig.

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„Normalerweise“, sagte Sebastian Kehl, der Kapitän, „sollten Heimspiele ein positives Erlebnis sein und nicht das Gefühl vermitteln, dass man ein Verbrechen begangen hat“. Kevin Großkreutz, dessen Freunde auf der Südtribüne stehen, legte nach: „Dieses Gestöhne, wenn man mal einen Ballverlust hat, das geht gar nicht. Wer mit dem Erfolg nicht umgehen kann, der ist falsch bei der Borussia.“ Und Nuri Sahin befand, dass man den Eindruck habe, sich für Erfolg „entschuldigen zu müssen“.

Jürgen Klopp hatte all das registriert und entschied sich für die offensive Variante. Er lobte seine Elf ausschließlich, den Gegner sowieso („unfassbar talentiert“) und kam zu dem Schluss: „Wir müssen als Borussia Dortmund lernen, dass sich ein ganz großartiger Erfolg manchmal hinter einer 1:2-Niederlage versteckt.“ Im Viertelfinale, sagte Klopp, stehe die Créme de la Créme des europäischen Fußballs. „Und wir — leider geil.“ Was er nicht sagte, aber meinte: Der Erfolg, bitte schön, sei zu würdigen.

Es gehört zum großen Konflikt dieses Clubs, dass die Innensicht nicht mehr mit der Außensicht zusammengeht. Früher, als der BVB zuerst fast pleite und dann Deutscher Meister 2011 war, war das ein furioses Gute-Laune-Ensemble, Klopp und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke die smarten Taktgeber und die Betrachter eine ausgemachte Fanschar dieses schwarz-gelben Glücks. Jetzt reklamiert der Verein diesen Status weiter für sich, aber er wird längst anders wahrgenommen: Eben als kleinstes Mitglied des europäischen Hochadels und nicht mehr als Praktikant im Hochgeschwindigkeitsfußball.

Dass sich daraus Ansprüche ergeben, gefällt den Machern nicht, sie wehren sich dagegen — und bieten so derzeit das Bild eines verbissenen Vereins, der sich immerfort falsch verstanden fühlt. Längst wirkt Klopp in vielen Interviews wie ein widerspenstiger Kämpfer gegen Windmühlen und so bissig, dass man sich an das alte Fußballer-Motto für Auswärtsspiele erinnert fühlt: Wenn wir hier schon nicht gewinnen können, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt. Nach dem Spiel am Mittwoch duellierte er sich mit dem ZDF-ernannten TV-Experten Oliver Kahn und erhielt Gegenwind, als jener sagte: „Wenn man austeilt, muss man auch einstecken können und nicht immer so sensibel reagieren.“

Dabei ist ja eigentlich relativ wenig passiert. Der BVB steht erneut im Viertelfinale der Champions League, im Halbfinale des DFB-Pokals und darf sich fast sicher sein, die Liga trotz des wahnwitzigen Verletzungspechs — nun fällt auch Marcel Schmelzer mit einem Muskelfaserriss am Schambeinansatz lange aus — als Tabellenzweiter abzuschließen. Aber es sind eben nicht nur die Ergebnisse, die in Dortmund die Stimmung bestimmen. Es geht auch die Angst um, die Leichtigkeit und das Errungene wieder zu verlieren. Robert Lewandowski, der mit einer unberechtigten Gelben Karte im Viertelfinal-Hinspiel fehlt, wechselt zum FC Bayern, Mats Hummels wird ein Flirt mit dem FC Barcelona nachgesagt, der verletzte Ilkay Gündogan will erst nach seiner Wiederherstellung über seinen Vertrag reden. Und mit jedem Abgang wächst die Angst, dass jenes Gefühl von 2011 weiter verwässert. Und dass das Neue nicht mehr so schön ist, wie es das Alte war.