Was läuft gut – und was nicht? Borussia Mönchengladbach scheitert am Tempodefizit

Analyse | Mönchengladbach · Der Einsatz stimmt – doch bei Borussia Mönchengladbach gibt es auch Defizite. Eine Analyse nach dem dritten Spieltag.

Gladbachs Max Wöber fasst sich nach dem 1:2 gegen die Bayern an den Kopf, die Kollegen sind ebenfalls mit mentaler Einordnung beschäftigt.

Foto: dpa/Marius Becker

Die Stimmen nach dem Spiel waren einhellig positiv. Zwar hatte Borussia Mönchengladbach gegen den FC Bayern München auch das zweite Heimspiel der noch jungen Saison verloren, aber das Wie stimmte Fans und Offizielle mild. Tatsächlich gaben die Gladbacher keinen Quadratzentimeter des Rasens im ausverkauften Borussia Park kampflos preis. Aber wie schon gegen Bayer Leverkusen stand die eins auf dem Punktekonto. Das Unentschieden in Augsburg bewahrt die neue Fohlenelf vor dem direkten Abstiegsplatz.

Das freilich ist nach dem dritten Spieltag nur eine statistische Bestandsaufnahme. Die 270 Bundesligaminuten hingegen sind Realität. Und die besagt, dass Borussia Mönchengladbach noch nie in seiner Geschichte nach nur drei Spielen mit neun Gegentoren notiert gewesen ist. Das zeigt, wo der Schuh drückt. Und es zeigt, dass Sportdirektor Roland Virkus und Trainer Gerardo Seoane vor der Saison nicht tief gestapelt haben, als sie von einer schwierigen Spielzeit sprachen, von einem Entwicklungsprozess, von Rückschlägen. Dass die Partie gegen den Rekordmeister so nicht gewertet worden ist, hat viel mit dem beherzten Kampf zu tun, den die Gladbacher ihren überlegenen Gegnern lieferten. Lediglich in den 20 Minuten vor der Pause konnten sich die Borussen des Drucks erwehren. Das hatte viel mit der ungewohnt körperlichen Präsenz von Florian Neuhaus im Mittelfeld zu tun, vor allem aber auch mit einem erfrischenden, giftigen, quirligen Auftritt von Rocco Reitz. Dem 21 Jahre alten Eigengewächs hatte Seoane diesmal den Vorzug vorn Franck Honorat gegeben. Reitz dankte es mit einer frechen Darbietung, die so manchem Bayern in Erinnerung bleiben wird.

Tempodefizite im defensiven
Teil des Gladbacher Spiels

Gescheitert ist Borussia Mönchengladbach nach der Führung durch den Kopfball von Ko Itakura an noch fehlender Abstimmung im neu zusammengestellten Team und an unübersehbaren Tempodefiziten im defensiven Teil. Während Nathan Ngoumou Bayerns Kingsley Coman dank seiner eigenen Schnelligkeit mit Erfolg auf den Füßen stand, hatten die anderen Gladbacher im Defensivverbund gegen einen glänzend aufgelegten Leroy Sané viel zu häufig das Nachsehen. Der Nationalspieler war auch mit Ball am Fuß einfach schneller. Und hätte Joshua Kimmich in der Spielgestaltung der Bayern das häufiger erkannt, dann wäre diese Partie wahrscheinlich anders geendet als 2:1. Doch der Ballverteiler des Rekordmeisters setzte zum Glück für die Fohlen auch in Gladbach auf wenige Steil- und viele Querpässe. Sein Pass zum Ausgleich durch Sané in der 58. Minute war allerdings sehenswert.

„Es ist nicht so, dass jetzt die Alarmglocken schrillen“, sagte Gladbachs Kapitän Julian Weigl nach den überwiegend einseitigen 90 Minuten vom Samstag. Und dazu gibt es wahrscheinlich auch noch keinen Anlass. Denn das Auftaktprogramm der Borussen hat bei Spielen in Augsburg und gegen Leverkusen sowie Bayern München vermutlich nur bei den kühnsten Optimisten zu vier oder gar mehr Punkten geführt. Angesichts des Umbruchs im Kader und der langwierigen Verletzungen von Christoph Kramer und Manu Koné ist der eine Punkt auf der Habenseite schon sehr realistisch. Richtig ernst wird es nach der Länderspielpause. Dann fährt Gladbach zum noch punktlosen Aufsteiger nach Darmstadt. Dann muss sich zeigen, wo die neue Borussia mit ihrem neuen Trainer steht.

Wie sehr die Anhänger dem neuen, alten Konzept der Gladbacher vertrauen, haben die Reaktionen nach den Niederlagen im Borussia Park gezeigt. Selbst nach hoffnungslos unterlegenen 90 Minuten gegen Bayer Leverkusen feierten die Fans ihre junge Fohlenelf. Und auch nach dem Siel gegen die Bayern war nicht ein einziger Pfiff zu hören. Anscheinend treffen Virkus, Seoane und Sportdirektor Nils Schmadtke den Nerv der Fans. Das Trio hat den Verjüngungskurs nicht nur angekündigt, es setzt ihn auch um, sinnbildlich dafür steht neben Rocco Reitz auch Lukas Ullrich. Den 19 Jahre alten Zugang von Hertha BSC schickte Seoane nach gut 70 Minuten für Wöber aufs Feld. Der Trainer traut sich etwas, und er traut seinen Spielern.

Verlängert Elvedi jetzt
seinen Vertrag?

Außerdem hat Seoane seit Freitag, 18 Uhr, eine weitere Option für die anfällige Defensive. Nico Elvedi ist es allen Ambitionen zum Trotz verwehrt geblieben, in die Premier League auf die Insel zu wechseln. Sowohl die Wolverhampton Wanderers als auch der FC Everton konnten sich offenbar nicht durchringen, den Schweizer Nationalspieler für einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag unter Vertrag zu nehmen. Dabei leiden beide Clubs ähnlich wie Gladbach unter mangelnden Abwehrkräften. Aber nun bleibt Elvedi im Borussia Park. Ob er wieder Stammspieler werden darf, hängt dem Vernehmen nach vor allem davon ab, ob er in der Länderspielpause seinen 2024 auslaufenden Vertrag verlängert. Wahrscheinlich wäre das auch für den Schweizer die beste Lösung. Denn das nun in allen namhaften Ligen geschlossene Transferfenster hat gezeigt, dass der 26 Jahre alte Defensivspezialist weit weniger hoch im Kurs zu stehen scheint als gedacht. Sollte Elvedi sich für die Verlängerung entscheiden, hat Seoane mit ihm und den Rückkehrern Kramer sowie Koné ganz neue Möglichkeiten, seinem Team die Balance zu geben, die es braucht, um Spiele zu gewinnen.

Dabei kann auch ein Zugang helfen, den Gladbach auf den letzten Drücker von Union Berlin zunächst geliehen hat. In seinen ersten 30 Minuten für Borussia Mönchengladbach machte Jordan Siebatcheu einen äußert robusten Eindruck. Er ersetzte Tomas Cvancara, der sich gegen Bayerns Kim und den diesmal sehr stabilen Upamecanu überhaupt nicht durchsetzen konnte.  Siebatcheu hingegen vermochte einige Kopfballduelle zu gewinnen und den Ball danach auch zu einem Mitspieler zu bringen. Das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, das Spiel in des Gegners Hälfte zu verlagern und dem Tor näherzukommen. Das ist Borussia bei sieben zu 25 Torschüssen gegen München noch seltener gelungen als gegen Bayer Leverkusen (12:24 Torschüsse). Selbst beim 4:4 in Augsburg schossen die Borussen nur zehnmal auf Tor der Gastgeber, mussten selbst aber 20 Torschüsse abwehren.

Vorn fehlt noch
die Durchschlagskraft

Fazit: Zu Beginn der Länderspielpause nach Spieltag drei in der Bundesliga-Saison fehlt es Borussia in der Defensive vor allem an Tempo und nach vorne an Durchschlagskraft. Andererseits haben in allen Spielen einige Szenen gezeigt, dass Trainer und Mannschaft auf dem richtigen Weg zu sein scheinen. Es braucht offenbar Zeit und ein wenig Glück.