Borussia Mönchengladbach Borussia Mönchengladbachs Max Eberl im Interview: Wenn Kolo geht, kommt noch einer

Borussia Mönchengladbachs Sportdirektor im WZ-Interview über Ginters Wert, Christensens Zukunft und Momente als Dagobert Duck.

Sportdirektor Max Eberl im Trainingslager in Rottach-Egern am Tegernsee.

Foto: Andreas Gebert

Herr Eberl, das Trainingslager wird als gut bewertet, die Testspiele waren es im Ergebnis nicht. Machen Sie sich Sorgen?

Max Eberl: Es war von den Gegebenheiten sehr, sehr gut. Die Mannschaft hat sehr hart gearbeitet. Gegen Leeds und Nizza waren die Spiele gut, weil sie Erkenntnisse geliefert haben.

Dieter Hecking monierte nach der Niederlage gegen Nürnberg früh den Charakter. Sind Sie froh, dass Stindl und Ginter jetzt da sind?

Eberl:
Dieter wollte das Spiel nicht verlieren. Und er hat moniert, dass die Mannschaft nach einer Woche Trainingslager nicht die richtige Einstellung zum Spiel gefunden hat, mehr nicht. Wir müssen aber auch nicht darüber reden, dass der Borussia zwei deutsche Nationalspieler gut tun.

Was kann Lars Stindl aus der Zeit in Russland für Mönchengladbach einbringen?


Eberl: Als Mensch wird er sich nicht ändern, als Persönlichkeit wird es für ihn ein Schritt nach vorne sein. Er hat maßgeblich zu diesem Titel in Russland beigetragen, wie auch Matthias Ginter. Lars hat sich zu einem relativ späten Zeitpunkt seiner Karriere noch eine Chance aufgebaut, bei einer WM dabei zu sein. Für ihn und Matthias Ginter ist es eine wichtige Saison, in der sie sich auch ohne Europacup positionieren können.

Ginter hat 17 Millionen Euro gekostet. Viel, vielleicht zu viel Geld? Warum sind sie seit Jahren hinter ihm her?

Eberl:
Hört sich paradox an, es ist aber ein normaler Transfer im heutigen Transfer-Wahnsinn. Schauen Sie sich seine Verteidiger-Kollegen im Confed-Cup an: Rüdiger kostet Chelsea 38 Millionen Euro, Mustafi war 41 Millionen Euro wert, Süle 25 Millionen. Da liegen wir deutlich darunter.

Sozusagen ein Schnäppchen.


Eberl: Das fiele mir schwer, ihn angesichts solcher Zahlen so zu bezeichnen. Aber es ist auf dem Markt ein normaler Preis. Für Gladbach natürlich ein außergewöhnlicher. Wir kennen Matthias lange und schätzen ihn. Er ist erfahren, aber erst 23 Jahre alt und hat zwei Jahre erlebt, in denen er 82 Einsätze in Dortmund hatte, Champions League spielte, Silber bei Olympia geholt hat und Confed Cup-Sieger geworden ist. Er verkörpert als Innenverteidiger das, was wir uns vorstellen: Fußball spielend, sehr hohe Zweikampfquote und ein sehr gutes Aufbauspiel. Er passt neben Yannik Vestergaard. Wir hatten schon mal angefragt, bevor wir Vestergaard geholt haben, jetzt hat sich die Gelegenheit gegeben. Weil wir mit Andreas Christensen einen der besten Innenverteidiger der Liga verloren haben, war uns klar: Jetzt wollen wir Matthias.

Es war dann doch ein zäher Transfer.

Eberl: Nein, es ist nur nicht früher kommuniziert worden, weil Matthias und Joachim Löw nicht wollten, dass es während des Turniers vermeldet wird.

Was trauen Sie Christensen beim FC Chelsea zu?

Eberl: Gegenfrage: Warum hat Chelsea noch Antonio Rüdiger geholt? Damit ist das beantwortet. Andreas hat in der deutschen Liga mit den besten Werten aller Innenverteidiger gespielt. Die deutsche Liga sollte man auch in der Premier League nicht unterschätzen. Andreas hat gegen Aubameyang, Lewandowski, Morata und Agüero gespielt, was soll da noch kommen? Er müsste bei Chelsea eine sehr große Rolle spielen.

Sie beobachten das weiter?

Eberl: Er ist ja irgendwie unser Spieler. Ich beobachte auch Reus, Dante, ter Stegen oder Favre. Das heißt ja nicht zwingend, dass sie wieder für uns interessant wären. Christensen wäre gerne hier geblieben, hatte aber keinen Chance, weil Chelsea ihn als Korsettstange bezeichnet hat. Schauen wir mal, ob im August doch noch ein Vereinswechsel für 30 Millionen stattfindet. Aber so lange können wir nicht warten.

Thema Millionensummen. Es heißt, das Geld sei eben im Kreislauf, von daher alles kein Problem. Auch für Gladbach nicht?

Eberl: Es ist ja so: Man möchte immer ablösefrei holen und für 40 Millionen verkaufen. Aber auch ein Verein wie Köln merkt gerade, dass man teurer einkauft, wenn man teuer verkauft hat. Ich habe das beim Transfer von Marco Reus von uns nach Dortmund erlebt: Da haben alle zu mir gesagt: Da kommt Dagobert Duck. Ich habe darüber geschmunzelt, aber aus der Nummer kommst du schwer wieder raus. Der Markt ist so. Man will sich dem nicht beugen. Aber wir müssen versuchen, konkurrenzfähig zu bleiben. Und das heißt auf unserem Niveau eben auch, investieren zu müssen. Trotzdem logisch und einer Philosophie treu bleiben. Das heißt: Wir machen Transfers, die Geld kosten und holen sehr junge Spieler, die zum Erfolg beitragen können und uns dann mit ihrem neuen Marktwert weiterhelfen.

Reece Oxford, Julio Villalba sind 18, Mickael Cuicance 17, Laszlo Bénes, und Mamadou Doucouré sind 19.

Eberl: Das ist die Strategie, die uns vier Mal in den Europa-Pokal gebracht hat. Dass wir junge, hungrige Spieler finden, die großes Potenzial haben, aber das bei großen Vereinen noch nicht zeigen können, weil sie dort nur in der Reserve spielen. Sie sollen bei uns die Chance auf Entwicklung haben. Ich habe kein Problem damit, wenn hier ein Spieler, der Geld gekostet hat, auf der Bank sitzt und der No-Name spielt. Allgemein gilt: Gladbach kann investieren, wenn sportlicher Erfolg da ist, das heißt Platzierung Europapokal oder Transfererlöse. Das Paradebeispiel ist der Verkauf von ter Stegen 2014 nach Barcelona: Von seinem Verkauf konnten wir uns Sommer, Johnson, Traoré und Hahn leisten.

Wo sind die deutschen Spieler aus eigenem Nachwuchs?

Eberl: Die letzten beiden Jahrgänge waren noch nicht wirklich ergiebig, im Jahrgang 2000 und 2001 sieht das schon wieder anders aus. Wir haben einen Zweijahres-Zyklus, in dem junge Spieler die Chance haben, sich bei uns zu etablieren. Wenn nicht, dann kommen die nächsten. Das ist alternativlos. Wir müssen Visionen haben, wie wir Geld generieren können. Der Ausbau der Infrastruktur ist das eine, aber bei den heutigen Zahlen ist das nur eine schöne Unterstützung. Wenn du wie im Fall Granit Xhaka für acht Millionen kaufst und für 42 Millionen verkaufst, sind das eben andere Dimensionen.

Wiegt einer, der es schafft, alle anderen auf?

Eberl: Der wiegt alles andere auf. Dahoud, Reus, ter Stegen, Xhaka - so etwas geht nicht immer. Aber es sollte immer wieder einer dabei sein.

Junge deutsche Spieler von anderen Vereinen wechseln selten, auch nach Gladbach nicht.

Eberl: Weil das Talent dort spielt, wo es ist. Dann macht doch ein Wechsel keinen Sinn. Dort erfährt es Förderung, weil jeder großen Wert legt auf eigene Spieler. Sie sind mehr wert als Geld, sie bieten Emotionen, sind auch eine Visitenkarte. Junge Spieler kommen nach Gladbach, weil sie sehen, wie viele es hier geschafft haben, von Marin bis Dahoud.

Was erwarten Sie diesbezüglich von Dieter Hecking?

Eberl: Dass er das, was er schon in Nürnberg mit den Schiebers, Ekicis, Gündogans, Didavis gemacht hat und auch in Wolfsburg mit Knoche, Arnold oder de Bruyne wieder gezeigt hat: dass er sportlichen Erfolg mit jungen Spielern erreichen kann. Ein Trainer in Gladbach muss den Weg anerkennen, der uns hier erfolgreich gemacht hat.

Kommen diese Talente ohne europäischen Wettbewerb überhaupt zum spielen?


Eberl: Emotional hätten wir alle gerne europäischen Wettbewerb. Aber: Talente setzen sich durch, wenn sie Qualität haben. Mit und ohne Europa.

Wem trauen Sie es zu?

Eberl: Bénes hat seine erste Duftmarke in der Rückrunde gesetzt, das war schon richtungsweisend. Doucouré ist quasi Neuzugang, weil er ein Jahr lang verletzt war. Vom Potenzial her fasst der sehr schnell Fuß. Cuisance ist der Jüngste, aber er hat in jedem Spiel der Vorbereitung bewiesen, dass er vielleicht schon zeitnah im Kader stehen könnte.

Das bereitet Ihnen Freude.


Eberl: Weil da wieder einer ist, den wir ablösefrei gefunden haben und der viel verspricht.

Wie sehen Sie Reece Oxford?

Eberl: Ein spannender Spieler, der Rechtsverteidiger, Innenverteidiger oder als Sechser eine Rolle spielen kann. Wir hätten ihn gerne länger als ein Jahr geliehen, aber da sind die Engländer seit den Erfahrungen mit Andreas Christensen auch vorsichtiger geworden. Deshalb gehen wir diesen Weg. Alternativ würden wir so einen Spieler nie zu Gesicht bekommen, weil er per Kauf nicht zu bezahlen wäre. Ich gebe für einen 18-Jährigen, der fünf Spiele in Reading in der 2. Liga gemacht hat, nicht 15 Millionen Euro aus. Aber es gilt, dass auch der englische Markt für uns interessant sein muss: Sie sind U19-Europameister geworden, waren bei der U17-EM im Finale und bei der U21-EM im Halbfinale. Durch Christensen haben wir da einen durchaus guten Namen. Aber nicht alles funktioniert: Mit Joshua King hatten wir einen Spieler, der nicht ankam, der aber heute für Hull City in der Premier League spielt

Kommt noch ein neuer Spieler?

Eberl: Das würden wir nur tun, wenn Timothée Kolodziejczak einen Verein hat, zu dem er gerne möchte. Wir haben kein Interesse, ihn jetzt abzugeben, aber natürlich gibt es manchmal auch einen unzufriedenen Spieler. Wenn das so wäre, dann würden wir noch etwas machen. Aber dann nicht hinten.

Der FC Bayern und das Thema Sportdirektor. Hat Uli Hoeneß noch mal angerufen? Macht das Thema Bayern noch etwas mit Ihnen?

Eberl: Wir haben uns beim Telekom-Cup gesehen. Wir hätten uns gerne am Tegernsee getroffen, aber da war er in Schanghai. Heute macht das nichts mehr mit mir. Ich habe eine Entscheidung gefällt, die ich für mich als absolut richtig bezeichne. Noch immer.

Was würde sie am Ende dieser Saison zufrieden stellen?

Eberl: Wir wollen jetzt mindestens Achter werden, also besser als letzte Saison. Die Einstelligkeit ist für uns ein ehrenwertes Ziel. In den vergangenen sechs Jahren haben drei Teams immer einen einstelligen Tabellenplatz geschafft: Bayern, Dortmund und Gladbach. Das sagt doch einiges. Die Liga wird noch ausgeglichener. Man sieht ja, dass Hertha, Köln oder Hoffenheim dabei sind, wenn wir mal schwächeln. Und mit Stuttgart und Hannover kommen geborene Erstligisten dazu. Von Platz 4 bis 18 ist die Dichte enorm. Derjenige, der am längsten stabil und ruhig bleibt, wird erfolgreich sein.

Also immer Ruhe bewahren.


Eberl:
Druck kommt von außen genug. Für mich hat eine verbale Zielsetzung nichts mit Ambitionen zu tun. Das kommt von innen heraus. Die Spieler sprechen von Europa, und das ist gut so. Wir wollen sie ambitioniert. Es ist wichtig, dass man überzeugt ist, wovon man spricht. Bin ich überzeugt, dass wir hinter Bayern die Nummer zwei werden? Nein, bin ich nicht. Also halte ich meinen Mund und bleibe realistisch.