Bundesliga Borussia Mönchengladbachs steiniger Weg
Mönchengladbach · Nach dem Abgang von Jonas Hofmann kämpft der Verein um seinen Ruf und seine Zukunft. Überall ist Druck.
Einige Male im Jahr bringt die Deutsche Fußball Liga ein Magazin heraus, in dem sie sich mit all den Werten präsentiert, die dem Produkt Bundesliga-Fußball ganz gut stehen: Stars, Vereinstreue, Fans, Glanz und Gloria des deutschen Elite-Fußballs. In der jüngsten Ausgabe hat der angesehene Sportjournalist Ronald Reng Jonas Hofmann porträtiert, man traf sich am Borussia Park und dann erklärte Hofmann Reng ausführlich, warum er bei Borussia Mönchengladbach bleibt und die Führungsverantwortung künftig nicht scheuen will. Noch einige Wochen ist das Magazin mit Hofmann zu bekommen, aber schon jetzt lässt sich damit ansehnlich der Fisch einwickeln: Hofmann hat sich kurzfristig entschieden, Gladbach per Ausstiegsklausel zu verlassen und posiert längst in Leverkusen im roten Trikot des ungeliebten Rivalen. Rengs Geschichte? Ein guter Beweis für die Schnelllebigkeit des Fußballs und seinen Analysen. Mit Granit Xhaka, der von Arsenal London kommen soll, und Hofmann spielen demnächst unter dem Bayer-Kreuz echte Gladbacher Fan-Lieblinge in der Europa League. Es werden schmerzvolle Bilder für Gladbach-Fans. Und es symbolisiert ganz gut, dass Borussia Mönchengladbach derzeit von der Spitzenkonkurrenz in der Liga abgehängt zu werden scheint.
Das Schlimme für die Borussen-Fans derzeit: Es scheint niemand da, der den scheinbar unaufhaltsamen Verfall stoppen kann.
Wenn heute und morgen die medizinischen Untersuchungen der Spieler im Borussia-Park über die Bühne gehen, fehlt Hofmann. Auch Ramy Bensebaini, Lars Stindl und Marcus Thuram fehlen. Weitere Leistungsträger wie Ko Itakura, Manu Koné, Florian Neuhaus oder Nico Elvedi könnten noch folgen, Interessenten soll es für alle geben. Der Umbruch, den man nach einer vermaledeiten Saison in Mönchengladbach durchaus ersehnt hatte, trägt inzwischen Züge, die Abwärtsbewegungen kennzeichnen: Es gehen auch Spieler wie Lars Stindl oder Jonas Hofmann, die man eigentlich halten wollte. Und jetzt baut das neue Projekt in Mönchengladbach inzwischen vor allem auf eines: auf die Hoffnung, dass irgendwie schon alles wieder gut wird.
Virkus arbeitet bei den Fans noch immer auf Probe
Aber wie? Hofmann war in der abgelaufenen Spielzeit Gladbachs bester Scorer. Dank seines spielerischen Talents, dem feinen Gespür für den Raum und seiner Vielseitigkeit ragte er heraus. Mit ihm, Marcus Thuram und Lars Stindl fehlen der Borussia 40 Tore der vergangenen Saison. Nachdem Hofmann bei seiner Vertragsverlängerung vor einem Jahr erklärt hatte, dass er von „Borussias Weg“ überzeugt sei, ist das nun schmerzhaft hinfällig. Die Hoffnung des Geschäftsführers Roland Virkus von einer Signalwirkung ist zerstoben. Der Mann, der bei den Fans noch immer wie auf Probe arbeitet, hat einen intensiven Sommer vor sich, überall ist Druck. Virkus ist bemüht, trotz der jüngsten Rückschläge Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. „Wir haben Optionen vorbereitet, damit diese dann zeitnah realisiert werden können. Jetzt geht es darum, die Umsetzung dieser Optionen in Angriff zu nehmen“, sagte Virkus dieser Tage. Was man so sagt, wenn vieles unterwegs, aber nichts klar ist. Immerhin: Franck Honorat (26 Jahre/Stade Brest) soll Hofmann-Nachfolger werden.
Auf den neuen Trainer Gerardo Seoane wartet in seiner neuen Umgebung eine knifflige Aufgabe voller Herausforderungen. Sein Risiko scheint die Chancen zu übertreffen, aber zu leugnen ist nicht, dass in der niederrheinischen Depression natürlich auch eine Chance liegt. Nämlich die des totalen Neuanfangs. Das allerdings müsste man dann auch so kommunizieren: Derzeit noch wirkt der Kaderumbau wie ein Zufallsprojekt. Der im Kern grundsolide und seriöse Klub sucht Halt. Und eine neue Achse im Team, das schon zuvor Führungsspieler in Reihe verloren hatte: Yann Sommer, Matthias Ginter, Deniz Zakaria, Breel Embolo. Verbliebene Hoffnung ist derzeit Julian Weigl, der sich auf eine Zukunft in Mönchengladbach verpflichtet hat, wohl ohne Ausstiegsklausel („Das ist für mich kein Kurzzeit-Projekt“). Dazu sind Spieler mit Entwicklungspotenzial geholt worden, aber noch keine gestandenen Größen, die die Lücken sofort eins zu eins schließen könnten. Zum Trainingsstart am Sonntag (10.30 Uhr) bleiben viele Fragezeichen. Eine Handvoll neuer Spieler kommt auf jeden Fall hinzu. Etwa Robin Hack (24), der für 1,1 Millionen Euro aus Bielefeld kommt und einen Stammplatz im Mittelfeld will. Fabio Chiarodia (18, Innenverteidiger/Werder Bremen), Lukas Ullrich (19, linker Verteidiger, Hertha BSC II) und Grant-Leon Ranos (19, Mittelstürmer, FC Bayern München II) sind Hoffnungen, die schneller in der Pflicht stehen dürften, als man das lange angenommen hatte.