Borussia Mönchengladbach Gladbachs Mission von Marbella

Borussia Mönchengladbach findet im Trainingslager alles vor, um einen Neustart hinzulegen — nur bei der passenden Taktik mag sich Dieter Hecking nicht festlegen lassen

Gladbachs Cheftrainer Dieter Hecking im Trainingslager von Borussia Mönchengladbach in Marbella.

Foto: Guido Kirchner

Marbella. Schön sieht Marbella an vielen Ecken wirklich nicht aus. Sicher, der Spaziergang durch die winkligen Gassen im Ortskern lohnt, und die Blumenpracht mancher Fassaden beeindruckt. Aber abgesehen von der Altstadt ist der Unterschied zu den Feriensiedlungen der Umgebung nicht groß. Weshalb die meisten Nobelhotels nicht in diese gesichtslose Betonwüste, sondern in Richtung des schützenden Hausbergs „La Concha“ gebaut wurden. So etwa jenes Golfhotel, das Borussia Mönchengladbach erstmals für ein Wintertrainingslager bezogen hat. Die Zufahrtsstraße schlängelt sich die Hügel hinauf, und es braucht als Radfahrer die passende Übersetzung oder als Autofahrer die richtige Abzweigung in den Kreisverkehren, um in das Tal zu gelangen, das einen speziellen Panoramablick bietet.

Schon Trainer wie Holger Fach (2004) oder Dick Advocaat (2005) haben die Fohlen mal in Marbella auf Trab gebracht, aber Dieter Hecking hat es 2017 wohl am besten getroffen: Das Quartier verströmt eine heimelige Wohlfühlatmosphäre, und zum Training im Marbella Paradise of Football & Sports, wie ein fast direkt unter die Betonstelzen der Autopista del Sol gepflanztes Sportzentrum mit vier feinen Rasenplätzen heißt, ist es nicht weit. „Wir haben genau das vorgefunden, was wir uns erhofft haben“, sagte der neue Cheftrainer gleich in seiner ersten Medienrunde, die in einem separaten Saal neben einem Innenhof mit plätschernden Springbrunnen stattfand.

An die sonnenüberflutete Veranda stellte sich der Hoffnungsträger fürs Foto nur kurz — nicht, dass noch der Eindruck aufkommt, man befände sich im Urlaub. Aber gilt Hecking nicht ohnehin als Arbeiter, der mit seiner ehrlichen Art bei der Belegschaft gut ankommt? In ähnlicher Situation hatte der Westfale vor fünf Jahren den VfL Wolfsburg übernommen, wobei der 52-Jährige selbst die Vergleiche nur bedingt passend findet. „Da war die Ausgangslage ein bisschen luxuriöser.“ Weil nämlich das Punktepolster vor den Abstiegsrängen größer war.

In Mönchengladbach bestehen trotz des Überwinterns in der Europa League (Gegner AC Florenz) und im DFB-Pokal (Gegner Greuther Fürth) eingedenk von mickrigen 16 Zähler nach 16 Spieltagen keine Zweifel zu, was zuerst zu tun ist: „die Hausaufgaben in der Liga machen“ (Hecking). Außer dem bereits verpflichteten Verteidiger Timothée Kolodziejczak vom FC Sevilla braucht es dafür keine weiteren Neuzugänge, Sportdirektor Max Eberl und er seien „beide keine Freunde von Wintertransfers“.

Ihm reicht es, diesem Aufgebot vor der ersten Aufgabe beim SV Darmstadt 98 („die wollen wieder eklig sein“) Orientierungspunkte zu geben. Mittelfeldmann Christoph Kramer hat frank und frei eingeräumt, dass Vorgänger André Schubert es mit ständig wechselndem Personal und immer neuen Taktiken „ein bisschen übertrieben“ habe. Der Weltmeister spüre jetzt „den klassischen Effekt eines Trainerwechsels: Es ist wieder Zug drin.“ Die letzten Monate seien „eher schleppend“ gewesen. „Es war nichts mehr, wofür Gladbach steht: diesen Powerfußball, diesen Umschaltfußball. Wir müssen wieder dahinkommen, dass es knallt, wenn das Licht im Borussia-Park angeht."

Und für Hecking gehe nicht, „dass drei Mann nach rechts laufen und fünf nach links“. Auch der fünffache Familienvater hat aus der Ferne eine „überforderte Mannschaft“ gesehen, mit der „zu viel versucht wurde“. Spannend die Frage, ob sein bevorzugtes 4-2-3-1-System die Sehnsucht nach Stabilität bedient. „Mir sagt man das immer nach, dass ich dieses System aus dem Effeff beherrsche, das stimmt, aber ich werde der Mannschaft nichts auferlegen, wenn es sie behindert."

Das 4-4-2 unter Lucien Favre oder das 3-4-1-2 unter Schubert seien auch erfolgreich gewesen. Vermutlich nutzt der vom Fachmagazin „Kicker“ zum Trainer des Jahres 2015 gekürte Hecking das Testspiel-Doppel am Dienstag gegen die Würzburger Kickers (14 Uhr) und Zulte Waregem (17 Uhr), um das Beste aus beiden Varianten zu mischen. Und er werde dafür auch ins Team „hereinhorchen".

Direkt an sein Ohr ist schon eine Videobotschaft vorgedrungen, die aus seinem Freundeskreis in seiner niedersächsischen Heimat kam. Auch in Bad Nenndorf gebe es nämlich einige Gladbach-Fans, erzählte Hecking bereitwillig. Ein Kumpel habe vier Söhne, einer davon sei zwar erst zwei Jahre alt, „aber die drei anderen haben mir ein Video gemacht und die ‚Elf vom Niederrhein‘ gesungen.“ Die Kulthymne für einen Kultverein war für ihn die letzte Bestätigung, dass die Mission Mönchengladbach für ihn die richtige ist. Der Mann möchte etwas aufbauen — was bestenfalls schöner aussieht als das Meiste von Marbella.