Gladbachs rheinisches Finale
Borussia empfängt den 1. FC Köln — und steht ausgerechnet gegen den Erzrivalen unter existenziellem Druck.
Mönchengladbach. Trainerwechsel, das ist sogar wissenschaftlich nachgewiesen, sind in der Regel nicht sinnvoll. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Wenn es eines Gegenbeispiels bedarf, kann man in Köln nachfragen. Bei Frank Schaefer. Der Fußballlehrer arbeitete über Jahre bescheiden in der zweiten Reihe dieses nach Öffentlichkeit gierenden Klubs. Wohl nur dort war Platz für diesen Mann.
Im Oktober vertrauten die Klubbosse ihm auch aus der Not geboren die Bundesligamannschaft auf dem letzten Tabellenplatz an, ohne ahnen zu können, wie entspannt es sich in den kommenden Wochen leben lässt in dieser Liga. Mit einem Cheftrainer Schaefer.
Sechs Monate später, mit 30 Punkten aus 19 Spielen, ist der 1. FC Köln fast aller Abstiegssorgen ledig, wenn er am Sonntag (15.30 Uhr) im 78. rheinischen Derby bei Borussia Mönchengladbach antritt. Das Duell gegen die Nachbarn aus der Domstadt ist das 100. Spiel im 2004 eröffneten Borussia-Park. Es ist vor allem Schaefers Verdienst, die scheinbar zerstrittenen Stürmer Lukas Podolski und Milivoje Novakovic zum besten Sturmduo der Rückrunde vereint zu haben.
15 Tore erzielten sie zusammen, drei mehr als das komplette Gladbacher Team in diesem Zeitraum. Da mag man sich verwundert die Augen reiben, warum Schaefer zögert, seinen Vertrag zu verlängern.
Möglicherweise schlägt er das Angebot aus und trainiert ab der kommenden Spielzeit wieder die U 23 des Klubs. Die große, bunte Welt der Bundesliga ist nicht unbedingt die des Trainers Schaefer. Jüngst sprach er sogar davon, dass ihn Teile des Geschäfts durchaus anwidern.
In Gladbach hingegen sind sie bemüht, das Geschäft Bundesliga weiter lebendig zu halten. Sportlich eher untauglich, wie der Tabellenstand als Schlusslicht der Liga ausweist. Um die Chance noch auf den Klassenerhalt zu wahren, muss die Mannschaft dieses stets von besonderer Brisanz geprägte Duell gegen Köln gewinnen.
Gladbachs Trainer Lucien Favre hält wacker an seiner Devise fest: Zwölf Punkte in sechs Spielen sind machbar. „Wir, die Trainer, die Spieler, alle wissen, es ist Zeit zu punkten“, sagte der Schweizer, und liefert gleich die Handlungsanweisung nach dem 0:1 von München mit: „Wir müssen mehr nach vorne machen. Nur so können wir dieses Spiel gewinnen.“
Seit Favre vor zwei Monaten Michael Frontzeck abgelöst hat, versucht der Schweizer, seine Vorstellung von Fußball diesem Team zu vermitteln: Technik, Schnelligkeit, Spielintelligenz und Kalkül. All das unterscheidet sich vom unter Frontzeck gelebten impulsiven Spielverständnis. Wie sonst gewinnt ein Team 6:3 in Leverkusen und 4:0 in Köln, während es gegen Frankfurt 0:4 verliert und in Stuttgart 0:7 untergeht.
Unter Favre enden Spiele gewöhnlich mit nur einem Tor Unterschied. Durch Gegentore in der letzten Viertelstunde verlor Gladbach elf Punkte — der Höchstwert in der Liga.
Das Derby ist nun für alle in Gladbach ein Gradmesser. Für die Fans, die wohl keine weitere Heimpleite verzeihen werden, für Favre, dessen Mission Klassenerhalt mit einer Niederlage gescheitert wäre und für die Klubführung, die sich dem Zorn der Fans auf der Jahreshauptversammlung im Mai kaum entziehen könnte. Entsprechend angespannt ist die Atmosphäre bei den Gladbachern.
Favre begegnete der Frage, wer gegen Köln im Tor stehen werde, barsch: „Stellen sie nur Fragen, die mit Fußball zu tun haben.“ Torhüter Logan Bailly teilte nur mit: „Fragen sie den Trainer, er weiß, ob ich spiele.“ Wichtiger wäre für alle in Gladbach vor allem, dass sie mal wieder gewinnen.