Kurioses Eigentor hilft BVB - Kramer: Brutal ärgerlich
Dortmund (dpa) - Christoph Kramer war untröstlich. Selbst der Zuspruch der Gegner konnte den Weltmeister nicht aufmuntern. Sein spektakuläres Eigentor zum 0:1 in Dortmund machte dem Mönchengladbacher Profi noch lange zu schaffen.
Mit regloser Miene kommentierte er seinen Fauxpas, der ihm einen Platz im Kuriositätenkabinett der Liga bescherte. „Als ich sah, dass der Ball im Tor war, dachte ich: große Scheiße“, klagte der Pechvogel. Der Blick auf die TV-Bilder und der anschließende Interview-Marathon fielen ihm sichtlich schwer: „Ich weiß nicht, ob jemand schon einmal so ein weites Eigentor geschossen hat. Das ist brutal ärgerlich.“
Bei aller Freude über das erlösende Erfolgserlebnis nahm sich auch Jürgen Klopp nach dem Schlusspfiff Zeit für den traurigen Kramer. Auf dem Weg zurück von der bebenden Südtribüne sprach der BVB-Coach dem Verlierer des Abends Trost zu. „Das wird als Kuriosität in seinem Leben eine kleine Randnotiz bleiben. Ich halte ihn für einen außergewöhnlichen Kicker“, sagte der Fußball-Lehrer bei Sky. Auch Sebastian Kehl zeigte Mitgefühl. Unmittelbar nach dessen Missgeschick strich der Routinier seinem Gegenspieler über den Hinterkopf: „Ich habe ihm gesagt, dass es mir für ihn leidtut und hoffe, es wirft ihn nicht um.“
Es passte ins Bild eines denkwürdigen Spiels, dass es auf diese Art und Weise entschieden wurde. Bereits bis zur Pause hatte sich der famos aufspielende kurzzeitige Tabellenletzte ein Plus von 15:0 Torschüssen erarbeitet. Doch erst der verunglückte Rückpass von Kramer in der 58. Minute aus rund 44 Metern hinweg über den verdutzten Gladbacher Schlussmann Yann Sommer erlöste den BVB.
Wie von Lasten befreit, stürmte Klopp nach dem Schlusspfiff auf den Rasen, ruderte wild mit den Armen, klopfte sich stolz auf das BVB-Emblem seiner Jacke und bespritzte seine Profis übermütig mit Wasser. „Ich hoffe, es war die letzte Nacht auf Platz 18“, kommentierte der Trainer voller Hoffnung auf das Ende der Krise.
In beeindruckender Manier meisterte seine Mannschaft die wohl kniffligste Aufgabe seit dem Amtsantritt des Fußball-Lehrers im Sommer 2008. Unbeeindruckt von zuletzt fünf Niederlagen zeigte sie dem zuvor in 18 Pflichtspielen unbezwungenen Gegner die Grenzen auf. Überglücklich schlossen sich Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc auf dem Weg Richtung Kabine in die Arme. „In solch einer Situation so Fußball zu spielen, davor ziehe ich den Hut“, schwärmte Klopp.
Das Erfolgserlebnis macht den Blick aller Beteiligten auf die Tabelle wieder erträglicher. Immerhin müssen die Dortmunder die zweiwöchige Länderspielpause nicht als Schlusslicht erdulden. Selbst der laut Vereinsangaben „belastungsstabile Wadenbeinbruch“ von Abwehrspieler Sokratis und der zweiwöchige Ausfall des am Sprunggelenk verletzten Nationalspielers Marco Reus konnten die Freude kaum trüben. Zorc ist guter Dinge, dass der Sprung auf Rang 15 der Beginn einer dauerhaften Trendwende war. Der Sportdirektor hofft auf weitere Siege in den kommenden beiden Auswärtsspielen gegen Paderborn und Frankfurt: „Wenn man sieht, wie wir spielen und wo wir stehen, ist das schon kurios.“
Angesichts der Spielanteile hätte man eher die Gäste auf einem Rang nahe der Gefahrenzone vermutet. Anders als in den vergangenen Wochen blieb der Tabellen-Dritte vom Niederrhein den Nachweis einer Spitzenmannschaft schuldig. Zum Leidwesen von Trainer Lucien Favre hatte sein Team dem gnadenlosen Pressing-Fußball des BVB nur wenig entgegenzusetzen. Neuzugang André Hahn sprach Klartext: „Wir haben heute eine miserable Leistung gezeigt und hatten in 90 Minuten keinen einzigen gefährlichen Torschuss.“
Dennoch hätte es beinahe zu einem schmeichelhaften 0:0 gereicht - bis zur Bogenlampe von Kramer. Doch angesichts der großen Unterlegenheit hielt sich der Frust über das Missgeschick in Grenzen. „Niemand von uns macht Christoph einen Vorwurf. Wir haben heute alle schlecht gespielt“, bekannte Hahn.