Brasilien fordert WM-Chefplaner Bierhoff
Nürnberg (dpa) - Oliver Bierhoff ist in den kommenden Monaten als Chef-Planer gefragt. Ein WM-Quartier für 2014 gilt es zu finden.
Bierhoff als pessimistischen Menschen zu bezeichnen, wäre dann doch verfehlt. Der Teammanager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ist schließlich bekannt für seine positive Ausstrahlung. Auch deshalb gab ihm Jürgen Klinsmann vor neun Jahren den damals ganz neuen Job beim DFB. Beim Gedanken an die WM in 15 Monaten in Brasilien befällt Bierhoff aber eine gewisse Sorge.
„Das wird das schwerste Turnier in unserer Laufbahn“, warnte Bierhoff. Das Riesenland zwischen Copacabana und Amazonas nötigt dem einstigen Nationalstürmer und Europameister von 1996 so „großen Respekt“ ab, dass er den Titelgewinn für die deutsche Mannschaft am 13. Juli 2014 im legendären Maracana von Rio de Janeiro „eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit“ nannte.
Die nach der ungewöhnlichen Aussage folgenden Zweifel an den DFB-Titelambitionen wischte Joachim Löw schnell wieder weg. Alles werde man für den großen Traum geben, versicherte der Bundestrainer. Auch Wolfgang Niersbach war rasch zur Stelle: „Unsere Prognose bleibt. Wir werden uns qualifizieren und wollen zu den Titelfavoriten gehören“, sagte der DFB-Präsident. Und Bierhoff erklärte seine Aussage als Warnung: „Die WM wird ein ganz dicker Brocken, und es war mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass die WM kein Selbstläufer ist.“
Auch Löw und Niersbach wissen, dass die Mission 2014 ihre Tücken hat - unabhängig vom tollen Fußball-Wirbel durch Mesut Özil und Co. „Klar, die Bedingungen sind schwierig. Selbst in Südafrika 2010 war es einfacher“, sagte der DFB-Chefcoach. Bierhoff steht in den kommenden Monaten jedenfalls vor der kompliziertesten Aufgabe seiner Manager-Karriere. Die Crux sind die Turnierlogistik im mit 8,5 Millionen Quadratkilometern fünftgrößten Land der Welt und eine Infrastruktur, die von allen WM-Fahrern enorm viel Geduld und Zeit erfordern wird. Deutschland passt flächenmäßig fast 24 Mal in Brasilien hinein.
Oberste Priorität hat die Suche nach einem geeigneten Quartier. So sollen der zu erwartende Reisestress erträglich gemacht und zu große Temperatur-Schwankungen von mehr als 20 Grad vermieden werden. In Südafrika war das Luxushotel vor den Toren Pretorias nicht die beste Wahl, wie sich aber erst beim Turnier herausstellte. Bei der EM 2012 musste dreimal aufwendig von Polen in die Ukraine gependelt werden. Wenig glücklich kehrte Bierhoff im Herbst 2012 von einer ersten Inspektionsreise nach Brasilien zurück. Was er mit der DFB-Delegation gesehen hatte, genügte offenbar noch nicht den hohen Ansprüchen.
Der Weltverband FIFA kennt mittlerweile die Sorgen gerade der großen Fußball-Nationen. Die offizielle Teamhotel-Broschüre wurde von knapp über 50 auf 70 Angebote mengenmäßig aufgestockt. Es bleibt die Frage der Qualität. Benötigt werden nicht nur ein schönes Hotel, sondern auch professionelle Trainingsbedingungen und die passende Flughafen-Anbindung. Wenn Löw im Juni beim Confederations Cup erstmals selbst nach Brasilien reist, kann er immerhin noch mehr Herbergen inspizieren. „Das ist logistisch das Anspruchsvollste, was wir in den letzten zehn Jahren vorgefunden haben“, sagte der Bundestrainer.
Das Dilemma liegt auch im WM-Spielplan begründet. Obwohl bei der Auslosung am 6. Dezember in Costa do Sauipe Deutschland ziemlich sicher als einer von acht Gruppenköpfen gesetzt sein wird, muss die Löw-Auswahl schon in der Vorrunde kreuz und quer durchs Land fliegen. Dabei müssen Entfernungen von mehreren tausend Kilometern überbrückt werden - im schlimmsten Fall sogar nach Manaus ins Amazonasgebiet mit extremer Luftfeuchtigkeit über 80 Prozent. „Wir haben keine Planungssicherheit, weil wir nicht wissen, in welcher Gruppe wir spielen werden“, beklagte Bierhoff. Sich erst nach der Auslosung für ein Quartier zu entscheiden, kommt aber nicht infrage, denn die Konkurrenz ist auch schon fleißig in Brasilien unterwegs.
Ein Basislager „ganz extrem im Norden oder Süden“ hat Bierhoff schon ausgeschlossen, auch wegen der unterschiedlichen klimatischen Bedingungen. Die Küstenstädte Recife und Fortaleza sind durchs DFB-Raster gefallen. Bringt das Los die Löw-Elf aber in die Gruppe G, würde genau dort und im „nur“ 800 Kilometer entfernten Salvador in der Vorrunde gespielt werden. Eine verlockende Alternative, doch auf Vabanque wollen sich Löw und Bierhoff nicht einlassen.
Was bleibt, ist die Region im zentralen Dreieck der brasilianischen Fußball-Metropolen Rio de Janeiro, Sao Paulo, Belo Horizonte. 39 der 70 vorgeschlagenen FIFA-Quartiere liegen dort. Das Problem: Fast alle potenziellen WM-Teilnehmer wollen nun dort hin. In Belo Horizonte berichtete der dortige Gouverneur schon stolz von Besuchen aus Griechenland, Belgien, Japan, Mexiko und Italien. Die drei letztgenannten haben den Vorteil, sich im Gegensatz zu Deutschland für den Confederations Cup in diesem Sommer qualifiziert zu haben. Die Möglichkeit für diese sportliche wie logistische WM-Generalprobe hatte die DFB-Elf durch das Aus im EM-Halbfinale gegen Italien verspielt.