1899 Hoffenheim: Erwachen oder Siesta?
Sinsheim (dpa) - Ersatztorwart Ramazan Özcan wurde offiziell verabschiedet, Trainer Marco Pezzaiuoli bekam nur ein „Dankeschön auf Höhe der Mittellinie“. So hieß es im Regieplan von 1899 Hoffenheim für das letzte Saisonspiel der Fußball-Bundesliga gegen den VfL Wolfsburg.
Nächste Woche wird bereits der neue Chefcoach Holger Stanislawski im Kraichgau erwartet. „Die Rückrunde war unterm Strich nicht zufriedenstellend“, sagte Manager Ernst Tanner. „Und unser Saisonziel, einen einstelligen Tabellenplatz, haben wir knapp verfehlt.“
Einen Blumenstrauß gab's für Pezzaiuoli vor der 1:3-Niederlage, einen Händedruck von der Funktionärsriege, auch von Tanner. Dessen Lächeln konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Verhältnis zwischen dem scheidenden Trainer und dem Manager völlig zerrüttet ist. Tanner bescheinigte Pezzaiuoli zwar, dass er „ein sehr guter Trainer ist, der das Zeug zum Profifußball hat“. Dennoch hatte er, der den 42 Jahre alten Erstliga-Novizen im Januar mit zum Nachfolger von Trainer Ralf Rangnick gemacht hatte, in den vergangenen Wochen immer wieder kritisiert und damit demontiert. „Es ist für ihn schwierig gewesen und für uns“, räumte Tanner ein.
Pezzaiuoli verteidigte sich in seiner letzten Pressekonferenz für 1899 noch einmal: „Wir haben es geschafft, eine bessere Saison als letztes Jahr zu spielen, wir haben mehr Punkte geholt.“ Unterm Strich stehen nach dem dritten Bundesliga-Jahr Rang 11 und 43, der gleiche Platz und ein Punkt mehr als 2009/2010. Pezzaiuoli ist in Hoffenheim freigestellt, hat aber noch einen Vertrag bis 2013 als Co- Trainer. Nun haben die Anwälte das Wort. „Es gab auch schöne Aspekte. Man hat den Umbruch mit eingeleitet und junge Spieler weiterentwickelt“, erklärte der bisher einzige Bundesliga-Coach, der alle fünf Vokale in seinem Nachnamen hat.
„Wir müssen unser junges Team auf der einen oder anderen Position verbessern“, kündigte Tanner an und verwies auf den Transfererlös von über 20 Millionen Euro aus der abgelaufenen Saison. Nach wie vor offen ist, ob Nationalspieler Andreas Beck bleibt. Juventus Turin hat Interesse. „Es wäre schön, wenn's 15 Millionen wären“, sagte Tanner zur erhofften Ablösesumme. Hingegen habe Routinier Sejad Salihovic bekundet, bleiben zu wollen. Beim abwanderungswilligen Josip Simunic suche man nach „Lösungen“.
Die große Frage aber wird in der neuen Saison unter Stanislawski sein, wie der Verein wieder zu einer Philosophie zurückfindet. Zuletzt wechselten sich teure Einkäufe wie der so blasse 7-Millionen-Euro-Stürmer Ryan Babel vom FC Liverpool und Brasiliens Nachwuchsmann Roberto Firmino (4 Millionen) ab mit Erklärungen, im Zuge von Mäzen Dietmar Hopps Sparprogramm auf den Nachwuchs zu setzen. So schrieb das Fachblatt „11 Freunde“ jetzt unter dem Titel „Turmbau zu Baden“: „Aber die Zukunft macht gerade Mittagspause.“ Nachdem die Fiesta- Zeiten vorüber sind, steht möglicherweise eine längere Siesta an.