Bilanz 365 Tage VfB Stuttgart: Dietrich seit einem Jahr Präsident

Stuttgart (dpa) - Das Bild vom größten Erfolg fehlt noch. Nach einem Jahr im Amt möchte Wolfgang Dietrich im Präsidenten-Büro des VfB Stuttgart eine Fotografie der voll besetzten Haupttribüne in der Mercedes-Benz Arena aufhängen.

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Aufgenommen aus seiner Perspektive am Tag der außerordentlichen Mitgliederversammlung im Juni, als nach monatelangen intensiven Debatten eine überraschend große Mehrheit von 84,2 Prozent für die Ausgliederung der Fußballer in eine VfB-AG stimmte. „Das war ein besonderer Moment“, sagt Dietrich. „Darauf bin ich schon stolz, dass wir das hinbekommen haben.“

In dieses „wir“ eingeschlossen ist auch Jan Schindelmeiser. Wo Dietrich mit Leidenschaft für die Ausgliederung und die damit verbundenen 41,5 Millionen Euro von Hauptinvestor Daimler als erste Tranche warb, punktete sein Kollege im Vorstand bei den Mitgliedern mit seiner nüchternen Art. Wie Schindelmeiser den Absteiger in der Zweitliga-Saison in der Öffentlichkeit repräsentierte, dass er den weitgehend unbekannten Trainer Hannes Wolf auf die Bank der VfB-Profis setzte und fast ausschließlich junge Spieler verpflichtet hatte - all das stärkte das Vertrauen der Fans in die Vereinsführung auf eine Art, wie es sie jahrelang nicht mehr gegeben hatte.

Darüber, wie die Daimler-Millionen eingesetzt werden, kann Schindelmeiser aber nicht mehr mitbestimmen - der Verein hat ihn Anfang August freigestellt. Zu den Gründen will sich Dietrich auch mit dem Abstand mehrerer Wochen nicht äußern und verweist auf den einstimmigen Beschluss aller Gremien. „Ich erkläre das nicht weiter. Da werden Sie auf Granit beißen“, antwortet der 69-Jährige auf Fragen, warum der bei vielen VfB-Mitarbeitern sehr geschätzte Manager das Vertrauen des Aufsichtsrats, dessen Boss Dietrich seit der Ausgliederung ist, verloren hat. „Es ging nicht um Dinge, die gemacht worden sind. Es ging auch um Dinge, die nicht gemacht worden sind.“

Dietrich ist das Thema leid. Aus Unverständnis wird er auch lauter und bewegt sich viel auf seinem Stuhl im Präsidenten-Büro, ohne dabei allerdings so aufbrausend zu sein, wie ihm das manchmal unterstellt wird. „Das ist auch für mich eine Niederlage. Ich bin ja mit dem Ziel angetreten, über die vier Jahre mit dem damaligen Vorstand zu arbeiten“, sagt er und will dann nicht mehr darüber reden.

Dass der Freund der Brüder Uli und Dieter Hoeneß überhaupt gewählt worden ist, war schon ein großer Erfolg. Zu umstritten war der Familienvater, der seit seiner Zeit als Sprecher für das Bahnprojekt Stuttgart 21 eine in Baden-Württemberg polarisierende Person ist.

Zudem kritisierten seine Gegner seine Beteiligung am Unternehmen Quattrex, das als Investor zahlreicher Fußballclubs auch die direkte Zweitliga-Konkurrenz des VfB mitfinanzierte. Doch genau deswegen waren Aufsichtsrat und Vorstand für ihren einzigen Kandidaten.

„Die vergangenen zwölf Monate waren durchweg geprägt von dem Vertrauen, dass er der richtige Mann an der richtigen Stelle ist“, sagt Daimler-Personalvorstand und VfB-Aufsichtsrat Wilfried Porth über den Mann, den Mitarbeiter des VfB als konsequent, machtbewusst, berechnend, einnehmend und fleißig beschreiben. Mit Dietrich habe man „einen absolut professionellen und leidenschaftlichen Präsidenten bekommen, der uns die Dinge geordnet hat, die wir geordnet haben wollten“.

Insgesamt 24,9 Prozent der Anteile an der VfB-AG können die Schwaben ohne weitere Zustimmung ihrer Mitglieder verkaufen, 100 Millionen Euro sollen dadurch eingenommen werden. Mit diesem Geld will der VfB den Rückstand auf die Schwergewichte in der Bundesliga verkleinern - wirtschaftlich und sportlich. „Wir wollen in einigen Jahren ins erste Drittel. Dazu stehe ich“, sagt Dietrich.

Zuständig für den sportlichen Bereich ist seit Anfang August Michael Reschke, der zuvor als Kaderplaner im Hintergrund für den FC Bayern München und Bayer Leverkusen arbeitete und einen hervorragenden Ruf hat. Ob Schindelmeiser gehen musste, weil Reschke verfügbar war? Dietrichs Antwort: „Ich wäre auf die Idee, jemanden zu suchen, gar nicht gekommen, wenn das Vertrauen noch da gewesen wäre.“