50+1-Regel aufgeweicht: Stichtagsregelung nichtig

Frankfurt/Main (dpa) - Mit einem zukunftsweisenden Urteil hat das Ständige Lizenzliga-Schiedsgericht die Tür für den Einstieg von Großinvestoren bei deutschen Fußballvereinen einen Spalt breit geöffnet.

Das dreiköpfige Gremium unter dem Vorsitz von Udo Steiner gab einer Klage des Bundesligisten Hannover 96 gegen die in der Satzung des Ligaverbandes verankerte Stichtagsregelung statt und weichte damit die im Kern bestätigte 50+1-Regel auf.

Nach dem am Dienstag veröffentlichen Spruch des Schiedsgerichts soll ein Investor künftig die Mehrheit bei einem Bundesligisten übernehmen können, wenn er den Verein mehr als 20 Jahre ununterbrochen gefördert hat. Dies war bislang durch die zeitliche Einschränkung „vor dem 1.1.1999“, die nun wegfällt, nur den Konzernen Bayer (Leverkusen) und Volkswagen (VfL Wolfsburg) möglich.

Hannover 96 hatte gegen die Stichtagsregelung geklagt, weil diese gegen den allgemeinen vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße. „Es fände sich kein hinreichend gewichtiger sachlicher Grund, Fußball-Kapitalgesellschaften von der eröffneten Ausnahme von der 50+1-Regelung auszuschließen, die die erforderlichen Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift nach dem 1. Januar 1999 erfüllt haben oder erfüllen werden“, begründete das Schiedsgericht das Urteil.

Es bestätigte jedoch, dass die 50+1-Regel „bei summarischer Prüfung mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar“ ist. Demnach hat auch künftig der Ligavorstand das letzte Wort darüber, ob eine Genehmigung erteilt wird. „Im deutschen Profi-Fußball werden Investoren weiterhin nur im Ausnahmefall und sehr eingeschränkt die Stimmenmehrheit bei einzelnen Clubs übernehmen können. Wir müssen auch künftig keine spanischen, italienischen oder englischen Verhältnisse fürchten“, sagte Liga-Präsident Reinhard Rauball.

Hannovers Vorstandschef Martin Kind, der bei der Anhörung Anfang Juli von seiner Klage gegen die gesamte 50+1-Regel abgerückt war, bewertete das Urteil ebenfalls als Erfolg. „Unsere Rechtsauffassung ist bestätigt worden und wir haben jetzt Planungssicherheit. Ich habe zwar für 96 die Klärung herbeigeführt, aber es handelt sich nicht um eine 'Lex 96'. Das ist ein Urteil für die Bundesliga“, sagte Kind der Nachrichtenagentur dpa.

Er rechnet damit, dass sich nun auch andere Vereine intensiv mit dem Thema befassen. „Ich gehe davon aus, dass sich damit jetzt auch andere Clubs auseinandersetzen und auf uns oder unsere Anwälte zukommen werden“, erklärte Kind.

Rauball kündigte an, die geforderte Streichung der Stichtagsregelung in die Gremien einzubringen und auf einer der nächsten Mitgliederversammlungen zur Abstimmung zu stellen. „Die Bundesliga behält ihren unverwechselbaren Charakter und kann weiter auf die Faktoren setzen, die in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend zum Erfolg beigetragen haben: Stabilität, Kontinuität, Vorrang des Wettbewerbs und gelebte Bodenständigkeit“, sagte Rauball.