96 in der Eigendynamik des Misserfolgs: „Abstiegsterror“
Hannover (dpa) - Als die Rückrunde Ende Januar begann, war Hannover 96 noch Achter der Fußball-Bundesliga. Clubchef Martin Kind sprach unumwunden von den Europapokal-Ambitionen des Clubs und sagte, dass 96 sich „unter den Top sechs der Liga etablieren“ wolle.
In Bremen herrschte hingegen die pure Angst. Die meisten Experten und Fans prophezeiten dem Drittletzten der Liga den Abstieg. 14 Wochen später, kurz vor dem Aufeinandertreffen der beiden Nordclubs an diesem Samstag, ist es genau andersherum. Die Werder-Anhänger dürfen vom Europapokal-Comeback träumen.
96-Manager Dirk Dufner spricht hingegen vom „normalen Abstiegsterror“, und Hannovers Fans fürchten den Abstieg in die Zweitklassigkeit. Der Absturz von Hannover 96 erinnert fatal an den Abstieg von Eintracht Frankfurt vor vier Jahren. Die Hessen gingen 2011 mit 26 Punkten in die zweite Saisonhälfte, stürzten danach fürchterlich ab und landeten in der 2. Liga.
Hannover startete mit 24 Zählern ins neue Jahr und blieb seitdem ohne Sieg. 96 taumelt bisher durch die Rückrunde, sammelte ganze sechs Zähler und rutschte am zurückliegenden Wochenende erstmals auf einen Abstiegsplatz. Wie konnte das passieren?
Hannover gab vor der Saison so viel Geld für neue Spieler aus wie noch nie, rund elf Millionen Euro. Es waren Fehlinvestitionen. Vor allem die beiden teuersten Zugänge erwiesen sich als talentierte Schönspieler: Joselu und Hiroshi Kiyotake sind im Abstiegskampf keine Hilfe, sondern eher hinderlich. Profis wie Marius Stankevicius, Ceyhun Gülselam, Miiko Albornoz, Jimmy Briand und der im Winter geholte Joao Pereira spielen fast durchgehend schlecht - oder gar keine Rolle.
Lange hatte Clubchef Martin Kind Geduld mit dem Bundesliga-Neuling Tayfun Korkut, der gemeinsam mit Dufner die neuen Spieler holte. Der unerfahrene Übungsleiter verlangte Ballbesitz-Fußball und überforderte das Team damit. Dass seine Mannschaft im Abstiegskampf steckt, das wollte Korkut lange nicht wahrhaben und durfte dennoch bis vor knapp zwei Wochen weitermachen.
Der als Fünf-Spiele-Trainer verpflichtete Michael Frontzeck ist nach derzeitigem Stand nur noch ein Drei-Spiele-Trainer. Den bisher einzigen Punkt unter seiner Regie ergatterte Hannover nur, weil der VfL Wolfsburg bei seiner unfreiwilligen Nachbarschafts-Hilfe eine 2:0-Führung vertändelte.
Immerhin, Frontzeck „strahlt Ruhe aus“, wie der Clubchef lobend erwähnte. „Aber innerlich brennt er.“ Kein Wunder, eine gescheiterte Rettungsmission in Hannover wäre für Frontzecks berufliche Zukunft keine Empfehlung.
Frontzeck greift zum üblichen Repertoire aller Fußball-Feuerwehrmänner und versucht den Profis verlorenes Selbstvertrauen wiederzugeben. Zudem sollte das dreitägige Kurz-Trainingslager in Marienfeld vor dem Heimspiel gegen Werder helfen. „Hier bleibt man als Team zusammen“, sagte Dufner: „Das stärkt den Zusammenhalt, den wir dringend gebrauchen.“ Angesichts der Eigendynamik des Misserfolgs könnte es dafür zu spät sein.