Bader: Auf Negativserie „pell' ich mir ein Ei“
Nürnberg (dpa) - Kurz vor Weihnachten sieht es schlecht aus um den 1. FC Nürnberg. Tabellenplatz 17, nach 16 Saisonspielen noch immer ohne Sieg - vor dem Hinrundenabschluss gegen Schalke 04 am Samstag gibt es viel aufzuarbeiten bei den Franken.
Sportvorstand Martin Bader zieht im dpa-Interview ein Zwischenfazit und sagt zur historischen Negativserie: „Da pell' ich mir ein Ei drauf, wenn ich am Ende den Abstieg verhindere.“
Beim jüngsten Spiel beim 3:3 in Hannover hat Nürnberg eine 3:0-Führung hergeschenkt und wartet nun schon seit 16 Saisonspielen auf den ersten Sieg. Hilft da inzwischen nur noch Zweckoptimismus?
Martin Bader: Überhaupt nicht. In Hannover haben wir ein herausragendes Spiel gemacht und ein irreguläres Gegentor bekommen. Aber wenn du so auftrittst, dass du vier oder fünf Tore machen kannst, dann ist das eine Qualität, die dich optimistisch anstatt zweckoptimistisch werden lässt. Es gibt überhaupt keinen Grund zum Resignieren.
Sie bauen Ihre Sieglos-Negativserie aber immer weiter aus. Geht da nicht irgendwann die Moral in der Mannschaft kaputt?
Bader: Natürlich willst du Siege, um Selbstvertrauen zu bekommen. Aber wir haben 16-mal Aluminium getroffen und Spiele nicht gewonnen, in denen Siege nachvollziehbar gewesen wären. Es gibt Mannschaften, die daran zerbrechen. Und es gibt andere wie unsere, die daraus gestärkt hervorgehen. Es gibt bei uns keine Schuldzuweisungen, der Trainer würfelt keine Dinge durcheinander oder ändert die Abläufe. Er gibt seine Überzeugung an die Mannschaft weiter und glaubt an ihre Qualität.
Beschäftigt Sie der Negativrekord aus immerhin 50 Jahren Bundesliga gar nicht?
Bader: Da pell' ich mir ein Ei drauf, wenn ich am Ende den Abstieg verhindere. Wir haben zu viele Unentschieden, aber es gibt nur fünf Mannschaften, die weniger verloren haben als wir. Wir hören von den Fans einen riesigen Zuspruch, da sagen viele: Jetzt erst recht.
Platz 17, kein Saisonsieg - passt Ihre Zuversicht zur Ausgangslage?
Bader: Es gibt keinen Garantieschein, dass es bei uns hinhaut, das ist im Fußball so. Ich mache mir ob der sportlichen Situation Sorgen, selbstverständlich, wenn du auf Platz 17 stehst und der Abstand zu den Nicht-Abstiegsplätzen schon relativ groß ist. Aber wenn man sich die Freiburgs und Augsburgs der letzten Jahre anguckt, die in ausweglosen Situationen waren, dann sieht man, dass die sich nie haben treiben lassen von der Bewertung von außerhalb.
Hat sich der Trainerwechsel von Michael Wiesinger zu Gertjan Verbeek im Oktober im Nachhinein betrachtet gelohnt?
Bader: Ich will keine Bewertung abgeben, ob es jetzt besser oder schlechter ist, weil es schwierig zu vergleichen ist. Dann müsste man die gleichen Spiele noch mal unter Verbeek spielen.
Mit einigen Wochen Abstand betrachtet: Was hat damals den Ausschlag für die Wiesinger-Entlassung gegeben?
Bader: Es gab einige spielerisch schlechte Spiele. Wenn man in Sandhausen im Pokal ausscheidet und in der Bundesliga zu Hause 0:5 gegen den Hamburger SV verliert, dann ist es schwierig, wenn man auch weiß, dass er außerhalb des Vereins wenig Kredit hatte. Das habe ich versucht wegzuschieben, das ging aber irgendwann nicht mehr.
Wiesinger hat acht Spiele nicht gewonnen, Verbeek bis jetzt aber auch schon sieben.
Bader: In Verbeek haben aktuell Sponsoren, Fans und der ganze Verein ein Urvertrauen, obwohl er rein von den Ergebnissen betrachtet nicht besser dasteht als Michael Wiesinger.
Sie haben den Vertrag mit Wiesinger erst am Saisonende verlängert. Hätte man seinen öffentlichen Kredit nicht durch einen früheren Vertrauensbeweis vergrößern können?
Bader: Wir haben immer klar kommuniziert, dass wir uns im Mai zusammensetzen. Wir haben die Vertragsverlängerung nicht hingezogen. So stellt sich Klein-Moritz Fußball-Bundesliga vor, dass Sie aus der Laune heraus den Vertrag verlängern und drei Wochen später sagen: Okay, war doch nicht gut. Das hat nichts mit professionellem Arbeiten zu tun. Meinen Sie denn, dass Michael Wiesinger anders gearbeitet hätte, wenn er frühzeitig eine Vertragsverlängerung erhalten hätte? Wir verlängern nicht aus der Laune heraus einen Vertrag und werfen das 14 Tage später wieder über den Haufen. So kann man nicht arbeiten.
Michael Wiesinger war aber am Anfang der neuen Saison auch schnell gefeuert.
Bader: Es war alles okay, als wir den Vertrag verlängert hatten. Nach den ersten Spielen kamen die ersten externen Zweifler. Die meinten dann, wir hätten ihn schon nach der Niederlage gegen Augsburg oder dem Unentschieden in Braunschweig entlassen sollen.
Was wurde unter Wiesinger gegen die Krise getan?
Bader: Er hat viele Dinge getan, mal auf junge, mal auf ältere Spieler gesetzt, Spieler ausgewechselt, Spieler suspendiert. Wenn die ganzen Dinge aber nicht greifen, die gut gemeint sind und auch in sich logisch sind - zum damaligen Zeitpunkt -, dann muss man Ergebnisse erzielen, damit man wieder ins richtige Fahrwasser gerät. Wenn das nicht passiert, dann verliert eine Mannschaft und ein Verein irgendwann den Glauben.
Verbeek hat auch noch nie in der Bundesliga mit dem FCN gewonnen. An ihn haben Sie den Glauben noch nicht verloren?
Bader: Wieso sollte ich das?
Sie haben auch unter ihm noch nicht gewonnen.
Bader: Das ist richtig, aber Sie werden doch nicht nach zwei Monaten schon eine Trainerfrage aufs Auge drücken. Ganz ehrlich, das ist abenteuerlich, wo sind wir denn? Wenn man sich damit beschäftigt, dann sieht man, dass diese Mannschaft überhaupt keinen Anlass dazu gibt - außer, dass sie auf Platz 17 steht -, daran zu zweifeln, dass sie alles dafür tut, optimistisch in die Rückrunde zu gehen.
Würden Sie sagen, dass Sie Fehler gemacht haben?
Bader: Natürlich. Aber Dinge bis ins Detail mit rationalen Gründen sezieren zu wollen, ist im Fußball nicht möglich. Wer von Vereinen ab Platz acht bis 14 wie Stuttgart, Hannover, Freiburg, Frankfurt oder Nürnberg letztlich Achter oder Vierzehnter wird, ist oft auch ein Stück weit Zufall. Bei uns schauen Sie sich die Tabelle an und sagen: Platz 17, kein Sieg, also ist alles schlecht:. Es bringt nichts, krampfhaft irgendwelche Problemfelder zu suchen anstatt sachlich die Dinge zu bewerten.
Ekici, Schieber, Gündogan, Klose, Diekmeier - der Club gibt Jahr für Jahr viel Qualität ab. Stört Sie nicht, ständig als Ausbildungsverein für prominentere Bundesligaclubs zu fungieren?
Bader: Wen hätten wir denn behalten sollen?
Wollscheid im Sommer 2012 zum Beispiel, der hatte einen laufenden Vertrag. Dortmund hat es mit Robert Lewandowski vorgemacht: Der wollte weg, ist aber zum Bleiben verdonnert worden.
Bader: Es ist doch ein Unterschied, ob ich einen bei Borussia Dortmund halte, wo ich in der Champions League bin und um die Meisterschaft mitspiele, oder ob ich zu Philipp Wollscheid sage: Du musst beim 1. FC Nürnberg bleiben, um Zwölfter zu werden, du hast einen Vertrag. Das hat doch nichts mit Fußballrealität zu tun. Wenn Lewandowski in Bremen spielen würde, wäre er auch verkauft worden. Das ist doch weltfremd, was anderes zu denken, das ist Romantik.
Trauern Sie den zahlreichen Top-Abgängen gar nicht hinterher?
Bader: Ich kann doch nicht nur wie ein Fan da rangehen und sagen, das ist ein netter Kerl, den muss ich behalten.
Sie haben schon angekündigt, im Winter neue Spieler verpflichten zu wollen. In welchem Bereich vor allem?
Bader: Wir machen uns täglich Gedanken. Im Defensivbereich haben wir mit Marcos Antonio und Niklas Stark zwei verletzte Spieler - darauf nicht zu reagieren, wäre sicherlich fahrlässig.
ZUR PERSON: Martin Bader (45) arbeitet seit 2004 beim 1. FC Nürnberg, zunächst als Sportdirektor und seit Oktober 2010 als Sportvorstand. Mit den Franken wurde er 2007 DFB-Pokalsieger und schaffte 2009 den Wiederaufstieg in die Fußball-Bundesliga. Zuvor war Bader unter anderem für den Sportrechtevermarkter UFA und Hertha BSC tätig.