Ballack: Vom Leitwolf zur tragischen Figur
Düsseldorf (dpa) - Michael Ballack war zehn Jahre Leitwolf der Fußball-Nationalmannschaft. Nach einer verkorksten Rückkehr zu Bayer Leverkusen, Verletzungspech und der Kontroverse um den Abschied aus der DFB-Elf verabschiedet sich der 35-jährige Mittelfeldstar als tragische Figur aus der Bundesliga.
„Natürlich wäre es für einen Weltstar wie Ballack, der in der Vita von Bayer 04 eine gute Rolle gespielt hat, schön gewesen, wenn er mit Glanz und Gloria abgetreten wäre“, meinte Leverkusens Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser.
„Deutschland ist eine große Station, die ich hinter mir lasse. Es waren zwei schwierige Jahre für mich in Leverkusen. Sportlich zum Vergessen“, sagte der 98-malige Nationalspieler vor seinem Abschiedsspiel beim 1. FC Nürnberg am Samstag. Ob er noch sein 267. Bundesligaeinsatz (bisher 77 Tore) bekommen wird, ist aber offen.
In den vergangenen Jahren war Ballack - er kehrte für rund zwölf Millionen Euro vom FC Chelsea nach Leverkusen zurück - der wohl teuerste Ersatzspieler der Liga: In nur 15 der insgesamt 34 Bundesliga-Partien wirket er vom An- bis Schlusspfiff mit. Zwei schwere Verletzungen und der Tribut an das Alter ließen den einstigen Ausnahmefußballer mit der „Nummer 13“ nie mehr an alte Klasse heranreichen - was er mit Star-Attitüde nicht wahrhaben wollte.
„Wenn man zu früh zu nachgiebig, zu friedlich ist, verliert man seine Aggressivität und Motivation. Das heißt, man schließt mit einer Sache ab“, rechtfertigte Ballack das teilweise starrsinnig und selbstgerecht wirkende Verhalten. „Ich bin sehr ehrgeizig, versuchte den Ehrgeiz zu zügeln und musste oft auf die Zähne beißen.“ Der ehemalige Bayer-Trainer Jupp Heynckes hatte den Dauerkonflikt mit Ballack satt und ging zum FC Bayern, sein Nachfolger Robin Dutt verscherzte es sich schnell mit dem auf Ballack gemünzten Spruch:„Es muss eine Ehre sein, bei Bayer auf der Bank sitzen zu dürfen.“
Als der einstige „Capitano“ bei seiner Auswechslung im ersten Spiel nach der Winterpause den Handschlag verweigerte, hatte Clubchef Holzhäuser die Nase voll, erklärte das „Projekt Ballack“ als gescheitert. Auch mit Fürsprecher Rudi Völler kam es zum Bruch. Als sich der einstige DFB-Teamchef, der mit Ballack 2002 Vizeweltmeister wurde, sich für eine Versöhnung mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) engagierte, wurde er vom Sachsen dafür abgekanzelt.
Inzwischen hat Ballack, der im April 1999 sein Länderspiel-Debüt gab und am 3. März 2010 beim 0:1 gegen Argentinien zum letzten Mal das DFB-Trikot trug, selbst einen versöhnlicheren Kurs eingeschlagen. „Man hätte es anders lösen können. Man wird sich über den Weg laufen, sich die Hand geben und es ausräumen“, erklärte Ballack jüngst zum Streit mit Bundestrainer Joachim Löw.
Allerdings erwartet der DFB nach einigem Bemühen um einen Friedensschluss, dass nun Ballack initiativ wird. „Jetzt muss von seiner Seite ein positive Reaktion kommen“, sagte Nationalteam-Manager Oliver Bierhoff im „Kicker“. Das Angebot eines „stilvollen Abschieds“ im Kreis des DFB-Teams stehe weiter.
„Für mich war er sportlich immer top“, sagte Bastian Schweinsteiger, sein Ex-Kollege beim FC Bayern und in der DFB-Elf, am Donnerstag. Selbst Philipp Lahm, der von Ballack nach dessen WM-Verzicht 2010 die Kapitänsbinde übernahm - und nicht wieder hergeben wollte - zollte seinem Ex-Rivalen Respekt: „Er ist einer, der für den deutschen Fußball sehr viel getan hat.“
Die letzten beiden Jahren mit den Querelen mit DFB und in Leverkusen, wo er von 1999 bis 2002 zur Fußball-Größe aufstieg, sowie den schweren Blessuren wertet Ballack als die schwersten seiner Karriere. „Das war schon heftig, das erleben andere in dieser Konzentration in 20 Jahren nicht, wenn überhaupt“, sagte er in einem Interview mit dem „Zeit-Magazin“. Diese Erfahrung hätte er sich gern erspart. Dennoch sei er dankbar für das Erreichte: „Ich habe in meinem Leben in jungen Jahren schon erreicht, was sich andere ihr ganzes Leben erträumen: Erfolg, Anerkennung, finanzielle Sicherheit.“
Im Sommer will Ballack bekanntgeben, wo er die Laufbahn beendet. Wahrscheinlich ist ein Wechsel in die USA. Bei der EURO in Polen und der Ukraine wird er auch dabei sein - als Co-Kommentator des US-Sportsenders ESPN. Bei Bayer Leverkusen will man den teuren Irrtum ohne großes Gezeter am Samstag zu Ende gehen lassen. „Wir wollen nicht nachkarten“, sagte Holzhäuser.