Bayer-Torjäger Kießling wichtiger denn je
Zell am See (dpa) - In der Nationalmannschaft hat Stefan Kießling nie den Durchbruch geschafft, für Bayer Leverkusen aber wird der Top-Stürmer immer wichtiger.
Nach dem Abschied von Gonzalo Castro und dem Karriereende von Simon Rolfes ist der 31-Jährige beim Werksclub zum dienstältesten Profi aufgestiegen - und muss nun zwangsläufig noch mehr Verantwortung übernehmen. Vielleicht sogar als Kapitän. Innerhalb der kommenden Wochen will Trainer Roger Schmidt entscheiden, wer als Rolfes-Nachfolger künftig die Binde trägt.
Kießling ist ein Kandidat für den Posten, nicht nur wegen seiner eindrucksvollen Bilanz von 122 Toren in 286 Bundesligaspielen für Leverkusen. Der Dauerbrenner geht bereits in seine zehnte Saison bei den Rheinländern. Seine Verdienste sprechen ebenso für ihn wie sein großes Ansehen im Team. Kießling ist seit diesem Sommer, seit Castros Wechsel zu Borussia Dortmund und Rolfes' Abschied von der Fußballbühne, noch mehr Gesicht und Identifikationsfigur von Bayer als je zuvor. Wie kein anderer repräsentiert er den Club nach außen. Und dennoch gibt er sich in der Kapitänsdebatte betont zurückhaltend.
Mit einem klaren „Nein“ beantwortete er nach dem 1:1 im Testspiel beim österreichischen Spitzenclub RB Salzburg am Dienstagabend die Frage, ob der freigewordene Posten was für ihn wäre. Mit einer kleinen Einschränkung: „Wenn ich gefragt werden würde, würde ich nicht nein sagen.“ Ob Trainer Roger Schmidt ihn fragen wird, weiß im Moment wohl allenfalls der engste Stab um den Bayer-Coach.
Wann genau eine Entscheidung bekanntgegeben wird, bleibt unklar. „Vor dem ersten Spiel wird's einen Kapitän geben“, sagte Schmidt mit Blick auf den Pflichtspielstart am 8. August. Dann müssen die Leverkusener im DFB-Pokal bei den Sportfreunden Lotte ran. Neben Kießling werden auch Mittelfeldprofi Lars Bender und Verteidiger Ömer Toprak gute Chancen auf das Amt eingeräumt.
Profis, die vorangehen, wird Bayer aber sowieso einige brauchen - egal, wer Kapitän wird. „Es gibt viele Spieler, die müssen nicht unbedingt die Binde tragen“, sagte Sportdirektor Rudi Völler in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur am Rande des Trainingslagers in Zell am See. „Wenn erfahrene Spieler den Verein wechseln, müssen andere Spieler in so eine Rolle reinwachsen.“
Kießling wird schon lange anerkannt - zumindest im Club. In der Nationalmannschaft dagegen spielte der Leverkusener in der jüngeren Vergangenheit keine Rolle, obwohl Bundestrainer Joachim Löw nach dem Rücktritt von Miroslav Klose kaum noch Alternativen für die Stoßstürmer-Position zur Verfügung stehen. Der frühere DFB-Teamchef Rudi Völler schrieb ein Comeback Kießlings im dpa-Gespräch dennoch endgültig ab. „Ich glaube, das Thema hat sich mittlerweile für ihn und für alle erledigt“, sagte der Bayer-Sportdirektor.
Auch im Leverkusener Team wird es für Schmidt schwer, Kießling zu ersetzen. Einen Typen wie ihn - groß, durchsetzungsstark, gut in der Luft - gibt es nicht noch mal im Kader. Fällt Kießling aus, wird's knifflig. Nicht umsonst ist der frühere Stuttgarter Kevin Kuranyi nach dpa-Informationen ein Kandidat in Leverkusen. Völler setzt darauf, dass Schmidt im Zweifel eben das System umstellt. „Wir haben auch schon letzte Saison mal nicht mit einer klassischen Neun gespielt, sondern mit einem anderen vorne drin“, kommentierte er.