Bayer verpasst Big Point - Fairplay-Debatte um Rolfes-Tor
Gelsenkirchen (dpa) - Das 2:2 zwischen Schalke 04 und Bayer Leverkusen war relativ schnell abgehakt, die Fairplay-Debatte über das umstrittene Führungstor von Simon Rolfes könnte länger nachhallen.
„Wie sich die Leverkusener verhalten haben, müssen sie selbst mit sich ausmachen. Das will ich nicht kommentieren“, sagte Jens Keller, der den unterschwelligen Vorwurf Richtung Bayer nicht klar formulieren mochte. Dafür ging der Trainer des FC Schalke 04 mit Schiedsrichter Manuel Gräfe (Berlin) ins Gericht: „Wenn ein Spieler mit einer Kopfverletzung im Fünfer liegt, gibt es nichts anderes, als das Spiel schnell zu unterbrechen. Es kann ja was Schlimmeres passiert sein. Das muss man unterbinden. Außerdem war es für mich ein Foulspiel an Marica.“
Logisch, dass der Gegner die Situation, die ihm in der 39. Minute die 1:0-Führung im Duell um den dritten Tabellenplatz bescherte, anders einordnete. Am deutlichsten wurde Sportdirektor Rudi Völler: „Warum soll er abpfeifen? In England hätten sie gelacht. Wir haben in Deutschland das Problem, dass bei jeder Kleinigkeit abgepfiffen wird. Schon wenn sich einer den Fußnagel einreißt.“
Was war passiert? Nach einer Leverkusener Ecke steigt Marica zur Kopfball-Abwehr hoch, der heranstürmende Stefan Kießling will ebenfalls an den Ball und trifft Marica am Kopf. Der Rumäne fällt und bleibt im Fünfmeterraum liegen. Da kein Pfiff ertönt, setzt Bayer das Spiel fort: Der Ball kommt über Michal Kadlec zu Lars Bender, der von rechts über den am Boden liegenden Marica hinweg auf den zweiten Pfosten flankt, wo Rolfes den Ball per Kopf zum 1:0 versenkt.
Nach Ansicht des Torschützen lief alles korrekt: „Es ist doch klar, dass man dann weiterspielt“, meinte Bayer-Kapitän Rolfes. Niemand könne erwarten, dass man den Ball ins Aus spiele, „wenn irgendwo einer im Getümmel liegt“. Schalkes Nationalspieler Julian Draxler konnte diese Einschätzung nicht teilen. „Ich würde da widersprechen“, sagte Draxler: „Wenn einer verletzt im Fünfer liegt, kann man den Ball durchaus mal ins Aus spielen.“
Trotz der Fairness-Debatte, an der sich Bayers Trainer Sascha Lewandowski klugerweise nicht beteiligte („Ich habe es nicht klar gesehen“), gerieten der restliche Spielverlauf und das Endresultat nicht ganz in Vergessenheit. Nach dem 2:0 durch einen von Kießling mit den Haarspitzen ins Tor verlängerten Kadlec-Freistoß (58.) schien der Tabellen-Vierte aus dem Revier geschlagen. Doch mit der Einwechslung von Teemu Pukki (66.) bewies Keller ein goldenes Händchen. Als Bayer-Keeper Bernd Leno einen Schuss von Michel Bastos nicht festhalten konnte, war der finnische Wirbelwind zur Stelle (71.). Und kurz vor Schluss holte er noch den entscheidenden Elfmeter heraus, den Raffael zum 2:2 (87.) verwandelte.
Dass Rückkehrer Ömar Toprak für seine harmlose Attacke gegen Pukki auch noch mit „Rot“ bestraft wurde, entspricht zwar dem Regelwerk, bleibt aber eine harte Entscheidung. „Sehr unglücklich“ fand André Schürrle das: „Wir hatten bis zur 70. Minute alles voll im Griff. Den Elfer kann man geben, aber ob es dann auch noch Rot sein muss, weiß ich nicht. Alle sind sehr niedergeschlagen.“
Laut Sky-Experte Markus Merk hat Gräfe „alles richtig entschieden“. Für die Situation beim 1:0 gebe es „keine Regel“, auch der Platzverweis für Toprak sei korrekt, so der Ex-Referee: „Foul klar, Elfmeter klar und Rote Karte leider Gottes auch klar. Aber die Regel mit der Dreifachbestrafung ist natürlich Quatsch.“
Die Entscheidung um Platz drei, der zum direkten Einzug in die Champions League berechtigt, ist indes vertagt. Bayer hielt seinen Vorsprung von vier Punkten vor den Königsblauen, die sich von den Verfolgern auch nicht absetzen konnten. Gleichwohl war Keller am Ende zufrieden: „Ich bin wahnsinnig stolz auf die Mannschaft, dass sie in der personellen Lage noch einmal so zurückgekommen ist.“