Bayern wie im Märchen - Vorglühen für Champions League

München (dpa) - Erste Trophäe, erste Balkon-Party, erstes Sieger-Bankett: Auf einer überdimensionalen Meisterschale als Bühne präsentierten sich die Münchner Fußball-Rekordchampions bei der nächtlichen Feier ihres ersten Titels auf dem Weg zum Triple.

Karl-Heinz Rummenigge konnte stolz vermelden: „Schale dahoam!“ Der Vorstandsboss schwärmte im Münchner Postpalast von „magischen Momenten“ und dem FC Bayern als „Märchen“ - und wies dann gleich auf das alles überstrahlende Ziel hin: Den Triumph in der Champions League gegen den nationalen Rivalen Borussia Dortmund.

„Wir haben jetzt die große Chance, mit den zwei Spielen in London und Berlin Historisches zu schaffen. Das werden wir versuchen“, erklärte Rummenigge wenige Stunden nach dem rot-weiß-goldenen Konfettiregen und den ungezählten Bierduschen im Anschluss an das 3:0 gegen den FC Augsburg.

In seiner halbstündigen Ansprache vor Meistermannschaft, Ehrengästen wie DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und Ministerpräsident Horst Seehofer berichtete der Bayern-Chef nach Mitternacht sogar von jüngsten Kabinen-Interna, die unterstreichen, wie groß die Gier der Bayern-Profis nach dem zweiten Titel in der Königsklasse nach 2001 ist. Der bei seiner Geburtstagsfeier im Rahmen der Mannschaft sehr emotionale Jupp Heynckes habe „etwas Wunderbares“ gesagt, verriet der Vorstandschef, „er hat gesagt, wir wollen nicht mit diesem Pokal aus London zurückkehren, wir werden mit diesem Pokal aus London zurückkehren... Viel Glück, Ihr verdient es.“

Auf dem Rathaus-Balkon ließ sich der umjubelte Heynckes vor den nach zwei titellosen Jahren „ausgehungerten“ Fans nicht zu einem Europapokal-Versprechen wie vor über 20 Jahren hinreißen. „Aber eins kann ich euch sagen. Wir werden alles daran setzen, am 25. das zu erreichen, wovon wir alle träumen!“, rief der 68-Jährige dem Anhang zu.

Stimmungsvoll wurde die 23. Meisterschaft, die 22. in 50 Jahren Bundesliga gefeiert, eine rauschende Titelparty war es noch nicht. Allenfalls ein Vorglühen auf das, was in zwei Wochen nach dem angestrebten Sieg im Londoner Wembley-Stadion gegen Dortmund abgehen soll. Schon am Samstag feierten mehr als 100 000 Fans ihren FC Bayern beim Autokorso zum Marienplatz, wo 15 000 Anhänger für ein rot-weißes Fahnenmeer am Rathaus sorgten.

„Ein Traum“, schwärmte Meisterschaftsfrischling Manuel Neuer, „es war wunderschön.“ Nach „zwei Jahren Balkon-Entzug“, wie es Rummenigge nannte, bat er das Team um Zeremonienmeister Franck Ribéry, öfter und am liebsten schleunigst für die nächsten Bierduschen am Rathaus zu sorgen. „Wunderbar, wunderbar“, fand auch Uli Hoeneß die Jubelarien. Der mit seinem rot-weißen Schal dekorierte Vereinspräsident wirkte in der Festgesellschaft aus naheliegenden Gründen als einziger betrübt.

Beschwingt und beseelt feierten dagegen vor allem Meisterschaftsneulinge wie Neuer oder Dante, der eine Spaßbrille mit Bayern-Emblem trug. „Hey, hey, super Bayern, super Bayern“ war der Song des Abends, den sogar der bedächtige Heynckes auf dem Balkon anstimmte. Bei der späteren Feier abseits der Öffentlichkeit gab es dann nicht nur euphorische Töne. Denn die Münchner waren in den Postpalast zurückgekommen - jenen Ort, an dem sie sich vor knapp einem Jahr nach der niederschmetternden Finalniederlage gegen den FC Chelsea am liebsten unter den Tischen verkrochen hätten.

„Vielleicht war es aus heutiger Sicht ganz gut, dass wir das gemeinsam erlebt haben. Wir sind nicht in Depression verfallen, sondern wir haben daraus neue Kraft geschöpft“, erklärte Rummenigge. „Neue Kraft. Die hat uns zur Meisterschaft gebracht - und uns nach London und nach Berlin gebracht.“ Das einstige Oliver-Kahn-Credo ist auch jetzt wieder Programm: „Wir sind noch nicht am Ende. Wir wollen die Saison noch krönen“, erklärte Kapitän Philipp Lahm, der den Fans auf dem Rathausbalkon zurief: „Die Schale ist da, wo sie hingehört!“.

Auf dem Weg zum Rathaus habe er „ungefähr 10 000 Mal gehört, am 25. Mai holen wir den Pott. Das ist das einzige, was du hörst“, berichtete Arjen Robben: „Das wichtigste Spiel kommt noch.“ Zwar verwies der scheidende Trainer Heynckes schon jetzt darauf, dass die Mannschaft in der Liga „Historisches“ geleistet habe, mit der „Saison in die Annalen“ eingehen werde, zig Rekorde gebrochen habe. Aber was ist das alles wert, wenn es gegen Dortmund schief gehen sollte?

Da passte es ins Bild, dass das Team um die Torschützen Thomas Müller (69. Minute), Xherdan Shaqiri (82.) und Luiz Gustavo (87.) den Festtag gebührend, aber nicht bis zum Abwinken feierte. „Wir haben in unserer ganzen Bundesliga-Geschichte noch nie eine Mannschaft mit so einem grundsoliden, seriösen und disziplinierten Charakter gehabt“, erklärte Rummenigge. „Manchmal ist mir das etwas unheimlich. Wenn ich jünger wäre, würde ich sagen, diese Mannschaft ist krass drauf.“

Rummenigge gestand, „ein Stück verliebt in diese Mannschaft“ zu sein und pries Heynckes als glorreichen Macher des Erfolgs. „Du kannst etwas Historisches schaffen. Es gibt keinen hier in dem Saal, der dir das nicht wünscht, dass du diese Geschichte des FC Bayern neu schreibst“, betonte der Vorstandsboss und erklärte den rheinischen Jupp respektvoll zum bayerischen „Sepp“. Die Tür werde Heynckes beim FC Bayern immer offen stehen, sagte Rummenigge.

Heynckes sagte auch am Wochenende noch nicht, ob am Saisonende endgültig oder eben nur in der Bundesliga Schluss ist. Den Spielern ließ er wie gewohnt die lange Leine, Vorgaben oder Verbote seien „hirnrissig“. „Das sind junge Burschen und ich denke, dass jeder weiß, was er tun kann und lassen muss“, erklärte er und verspürte schon ein „bisschen Wehmut“. Dagegen frohlockte Oberbürgermeister Christian Ude schon jetzt. „Es ist der helle Wahnsinn, dass es womöglich das erste von drei Fußballfesten in München ist.“