Bewegender Raúl-Abschied im Schalker Stadion
Gelsenkirchen (dpa) - Als der Señor mit seiner kleinen Tochter Maria auf dem Arm zum letzten Mal die blau-weiße Bühne von Schalke betrat, wischte er sich verstohlen die Tränen der Rührung aus den Augen.
Verlegen streichelte Raúl seinen vier Söhnen über die Haare und betrachtete mit 60 000 begeisterten Fans in der festlich geschmückten Arena die schönsten Momente seiner zwei Schalker Jahre, die über den Videowürfel flimmerten. Die Teamkollegen standen Spalier. Und auch der nach einer Meniskus-Operation auf Krücken humpelnde Trainer Huub Stevens erwies wie die gesamte Clubführung Spaniens Fußball-Legende Ehre, als diese nach dem 4:0 (1:0) gegen Hertha BSC über das überdimensionale Trikot mit der Aufschrift „Gracias Raul“ schritt.
„Schalke ist ein besonderer, ein ganz spezieller Club“, sagte Raúl später, noch immer überwältigt von dem „sehr emotionalen“ Abschied. „Ich hatte hier zwei tolle Jahre. Es hat riesig Spaß gemacht, hier zu spielen. Mir fehlen die Worte, mich bei den einzigartigen Fans, dem Club und den Kollegen zu bedanken“, ergänzte der 34 Jahre alte Stürmer. Mit seinen bescheidenen Auftritten, seinen zauberhaften Toren und seinem stets teamorientierten Verhalten hat sich Raúl längst einen festen Platz in der Vereinschronik gesichert.
Typisch für ihn, dass er in der ihm gewidmeten Stunde vor allem sportlich dachte, zumal er mit dem 28. Bundesliga-Tor (84.) selbst noch einmal zum Erfolg beitrug. „Ich bin froh, dass wir mit dem dritten Platz die direkte Qualifikation für die Champions League geschafft haben. Das ist wichtig für den Verein, sportlich und wirtschaftlich“, betonte die legendäre Nummer 7, die auf Schalke vorerst nicht mehr vergeben wird.
Für Raúl beginnt nun ein neuer Lebensabschnitt. „Jetzt steht eine neue Etappe an“, sagte der Familienmensch, verriet aber noch nicht, wohin sie ihn führen wird. „Ich werde alles prüfen, Ich denke, in etwa zwei Wochen kann ich mehr sagen.“ Es gilt als sicher, dass er seine beispiellose Karriere im Wüstenstaat Katar ausklingen lässt.
Der bewegende Abschied machte auch die Anhänger von Real Madrid neidisch. „Tausenden von Raúl- und Real-Fans blutete das Herz, als sie die Bilder aus Gelsenkirchen sahen“, schrieb der Kolumnist Tomás Roncero im Sportblatt „As“. „Warum zum Teufel haben wir Raúl nicht im Bernabéu-Stadion so verabschiedet, wie er es verdient gehabt hätte? Wir verlangen eine Erklärung.“
Der Stürmer hatte in der Zeit von 1994 bis 2010 insgesamt 741 Spiele für die „Königlichen“ bestritten und war einer der bedeutendsten Profis der Vereinsgeschichte. Bei seinem Wechsel von Real zu Schalke vor zwei Jahren war Raúl bei Real nur Ersatzspieler und hatte keinen großen Abschied erhalten. „Es war ein unverzeihlicher Fehler (der Vereinsführung von Real), Raúl eine große Abschiedsfeier im Bernabéu-Stadion versagt zu haben“, betont der „As“-Chefredakteur Alfredo Relaño. „Die Feier bei Schalke lässt die Real-Verantwortlichen im Abseits stehen.“
Die königsblaue Fiesta wurde abgerundet durch das 2:0 von Lewis Holtby (73.), die Saisontreffer 26 und 27 (32./88.) von Stürmer Klaas-Jan Huntelaar, der im Duell um die Torjägerkrone mit Bayerns Mario Gomez (26) vor dem Saisonfinale die Führung übernommen hat, und die Vertragsverlängerung mit Jefferson Farfán bis 2016. „Wir haben Jeff gesagt, dass er in vier Jahren auch so einen Abschied wie Raúl bekommt, wenn er den neuen Vertrag unterschreibt“, erklärte augenzwinkernd Horst Heldt, nachdem er die Nachricht unter tosendem Applaus in der Arena verkündet hatte. In den letzten 14 Tagen hatte der Manager den Deal, der wegen der horrenden Forderungen des Peruaners schon geplatzt schien, unter Dach und Fach gebracht.
Neben dem Einzug in Europas „Königsklasse“ ist Farfáns Verbleib ein wichtiges Signal für andere, speziell für Huntelaar, mit dem man in „guten Gesprächen“ sei. „Super, dass Jeff verlängert hat. Er ist ein klasse Spieler und auch wichtig für mich als Stürmer“, sagte der „Hunter“, der zu seiner Zukunft weiterhin nichts Konkretes äußerte. Doch zwischen den Zeilen kann man lesen, dass die Tendenz eher positiv für Schalke ist. Zumal der Niederländer durchblicken ließ, dass er seine Entscheidung womöglich doch nicht erst nach der EM im Sommer fällt. „Jetzt schauen wir, was noch alles im Verein passiert.“